Die Bedarfe für Bildung und Teilhabe – in einigen Punkten zugunsten der Leistungsberechtigten seit dem 1.8.2019 geändert im Rahmen des „Starke-Familien-Gesetzes” (s. Sartorius ZAP F. 18, S. 1647, 1651 f.) – beinhalten nach § 28 Abs. 3 SGB II u.a. eine Leistung für den persönlichen Schulbedarf, z.B. für die persönliche Ausstattung (Schulranzen etc.) und Schreibmaterialien (BT-Drs. 16/10809, 16) Die Aufwendungen für die Anschaffung von Schulbüchern sind dagegen beim Regelsatz eingerechnet und damit nicht Bestandteil der Pauschale nach § 28 Abs. 3 SGB II (G. Becker in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann (Hrsg.), a.a.O., § 28 SGB II Rn 35). Bis zum 31.7.2019 betrug die Leistung nach § 28 Abs. 3 SGB II 70 EUR zum 1. August und 30 EUR zum 1. Februar. Ab dem 1.8.2019 beträgt die Leistung 100 EUR zum 1. August und 50 EUR zum 1. Februar.
Das BSG hatte am 8.5.2019 in zwei Verfahren zu entscheiden, ob in Bundesländern ohne Lernmittelfreiheit nach dem SGB II zusätzliche Leistungen für die Anschaffung von Schulbüchern gewährt werden müssen.
Im ersten Verfahren (Urt. v. 8.5.2019 – B 14 AS 13/18 R) bezogen die Klägerin und ihre Mutter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Klägerin erhielt außerdem Leistungen für den Schulbedarf nach § 28 Abs. 3 SGB II. Sie besuchte ab dem Schuljahr 2013/2014 die 11. Klasse des Gymnasiums. Sie beantragte beim Beklagten ca. 200 EUR für Schulbücher, die sie selbst kaufen müsse. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, dass der Betrag hätte angespart werden müssen. Ein Antrag aus § 24 Abs. 1 SGB II sei nicht gestellt worden. Das SG hat den Beklagten verurteilt, 214, 40 EUR für die Schulbücher zu zahlen. Das LSG hat das Urteil abgeändert und die Berufung des Beklagten gegen seine Verurteilung zur Zahlung von 202,90 EUR für Schulbücher für September 2013 zurückgewiesen.
Im zweiten Verfahren (Urt. v. 8.5.2019 – B 14 AS 6/18 R) bezogen die Klägerin und ihre Familie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Klägerin erhielt außerdem Leistungen für den Schulbedarf nach § 28 Abs. 3 SGB II. Sie besuchte ab dem Schuljahr 2016/2017 die 11. Klasse des Gymnasiums. Sie beantragte beim Beklagten ca. 180 EUR für Schulbücher, die sie selbst kaufen müsse. Eine entsprechende Aufstellung legte sie dem Jobcenter vor. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, dass der Betrag hätte angespart werden müssen. Außerdem sei der Klägerin der Kauf gebrauchter Bücher zumutbar. Während die Klage der Klägerin vom SG abgewiesen wurde, verurteilte das LSG den Beklagten im Berufungsverfahren, der Klägerin ca. 135 EUR für die Schulbücher zu zahlen.
In beiden Verfahren wird mit der Revision die Verletzung von § 21 Abs. 6 SGB II gerügt. Es läge keine planwidrige Lücke vor, so dass diese Vorschrift nicht analog angewandt werden könne. Das Darlehen nach § 24 Abs. 1 SGB II habe Vorrang.
In beiden Verfahren bejahte das BSG einen Anspruch aus § 21 Abs. 6 SGB II auf Übernahme der Kosten der Schulbücher. Der im Regelsatz eingeflossene Betrag für Schulbücher sei in Bundesländern zu niedrig, in denen keine Lernmittelfreiheit bestehe und die Schüler die Schulbücher selbst bezahlen müssten. Die Kultushoheit der Länder stehe dem nicht entgegen. Der Bund habe die Gesetzgebungskompetenz für die Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums. § 24 Abs. 1 SGB II sei nicht anzuwenden, weil die Vorschrift vom Regelbedarf erfasste Bedarfe betrifft. Bei einer zu niedrigen Bedarfsbemessung wie bei den Schulbüchern sei die Vorschrift nicht anwendbar.
Im ersten Verfahren hat das BSG die Berufung gegen das Urteil des LSG zurückgewiesen.
Im zweiten Verfahren hat das BSG das Urteil des LSG aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat und an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, weil seine Feststellungen zur Höhe des Anspruchs nicht ausreichten.
Hinweis:
Entsprechend den Entscheidungen des BSG dürfte auch ein Anspruch auf Übernahme der nach landesgesetzlichen Bestimmungen festgelegten Eigenanteile/Selbstbehalte für Schulbücher (wie dies etwa in Nordrhein-Westfalen der Fall ist) gegeben sein, so SG Köln Urt. v. 29.5.2019 – S 40 AS 352/19 und SG Düsseldorf, Beschl. v. 5.8.2019 – S 35 AS 3046/19 ER.