I. Allgemeiner Teil des StGB
1. Täter-Opfer-Ausgleich (§ 46a StGB)
Der BGH hat in seinem (Urt. v. 15.1.2020 – 2 StR 412/19, StRR 8/2020, 20) noch einmal zum Umfang der erforderlichen Feststellungen für die Annahme einer Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 1 StGB Stellung genommen. Ergangen ist die Entscheidung in einem Verfahren wegen des Vorwurfs versuchter besonders schwerer sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Der Angeklagte hatte schon vor Beginn der Hauptverhandlung, vermittelt durch seinen Verteidiger, die Nebenklägerin um Entschuldigung gebeten und ihr zum Ausgleich für die verursachten immateriellen Schäden die Zahlung von 5.000 EUR angeboten. Er hat dieses Angebot zu Beginn der Hauptverhandlung schließlich auf 25.000 EUR erhöht und im Laufe der Hauptverhandlung die Zahlung dieses Betrags auf das Anderkonto der Nebenklägervertreterin veranlasst. Dazu hat der Angeklagte ein Darlehen bei seiner Lebensgefährtin aufgenommen. Die Geschädigte hatte die Zahlung angenommen, wobei sie durch ihre Vertreterin erklären ließ, dass sie diese Leistung nicht im Sinne eines Täter-Opfer-Ausgleichs anerkenne, aber i.H.v. 15.000 EUR auf die durch die Tat verursachten materiellen Vermögensschäden angerechnet wissen wolle. Das LG hatte zugunsten des Angeklagten eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 46a Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB angenommen. Dagegen richtete sich dann die Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.
Nach Auffassung des BGH (a.a.O.) war auf der Grundlage seiner ständigen Rechtsprechung zu § 46a Nr. 1 StGB (u.a. NJW 2002, 3264; 2020, 486; NStZ 2013, 33; NStZ-RR 2019, 206, 207; 2019, 369) die zugunsten des Angeklagten vorgenommene Strafrahmenverschiebung rechtsfehlerhaft. Dazu stellt der BGH fest: Die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB scheide zwar nicht schon wegen der Schwere des begangenen Delikts aus. Selbst bei einem schwerwiegenden Sexualdelikt sei ein Täter-Opfer-Ausgleich möglich, auch wenn eine entsprechende, zumindest annähernd gelungene Konfliktlösung aus tatsächlichen Gründen schwerer erreichbar sein könne (vgl. BGH NJW 2002, 3264) und es regelmäßig nicht genüge, dass der Täter sich lediglich zu entschuldigen versucht und, wenn auch unter Aufnahme eines Kredits, Schmerzensgeldzahlungen leistet (BGH NStZ 1995, 492; zu den Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs vgl. BGHSt 48, 134, 141; BGH NStZ 2003, 365; 2008, 452). Die Annahme des LG, die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB lägen vor, könne aber deswegen keinen Bestand haben, weil es das LG unterlassen habe, hinreichende Feststellungen zum Umfang der der Geschädigten tatsächlich durch die Tat entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu treffen. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, um zu überprüfen, ob der Angeklagte einen Ausgleich des von ihm verursachten Schadens „ganz oder zum überwiegenden Teil” erstrebte. Für die Annahme eines friedensstiftenden Ausgleichs i.S.v. § 46a Nr. 1 StGB könne nicht ausschließlich auf die subjektive Bewertung von Tatopfer oder Täter abgestellt werden. Erforderlich sei vielmehr vorrangig die Prüfung, ob die konkret erfolgten oder ernsthaft angebotenen Leistungen des Täters nach einem objektivierenden Maßstab als so erheblich anzusehen seien, dass damit das Unrecht der Tat oder deren materielle und immaterielle Folgen als „ausgeglichen” erachtet werden können. Dies mache konkrete Feststellungen zum durch die Tat entstandenen materiellen und immateriellen Schaden erforderlich. Nur auf deren Grundlage könne geprüft werden, ob der vom Angeklagten tatsächlich geleistete Betrag von 25.000 EUR nach einem objektivierenden Maßstab geeignet ist, die materiellen und immateriellen Beeinträchtigungen der Nebenklägerin in einem friedensstiftenden Sinn auszugleichen.
Hinweis:
Auch als Verteidiger muss man auf entsprechende Feststellungen achten bzw. durch entsprechende Anträge die Grundlage dafür schaffen. Denn ohne Feststellungen zur tatsächlichen Schadenshöhe lässt sich auch nicht beurteilen, ob ein Fall vorliegt, in dem die fehlende Einwilligung des Opfers, die geleistete Zahlung als Ausgleich im Rahmen des § 46a Nr. 1 StGB zu akzeptieren, ausnahmsweise unbeachtlich ist (eingehend zum Täter-Opfer-Ausgleich Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl. 2019, Rn 3901; Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl. 2019, Rn 2766).
2. Strafzumessung
a) Übermaßverbot
Vor allem die OLG mahnen im Bereich der Strafzumessung immer wieder die Beachtung des sog. Übermaßverbots an (vgl. zuletzt KG, Beschl. v. 29.5.2020 – [4] 161 Ss 42/20 [77/20]). Das gilt insb., wenn es um den Besitz geringer Mengen von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum geht. Im Bereich staatlichen Strafens folge aus dem Schuldprinzip, das seine Grundlage in Art. 1 Abs. 1 GG findet, und aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Freiheitsrechten abzuleiten ist, dass die Schwere einer Straftat und das Verschulden des Täters zu der Strafe in einem gerechten Verhältnis stehen müssen. Das bedeutet: In Fäl...