Wer kennt sie nicht, die Abwesenheitsnotiz per E-Mail? Auch wenn man selbst unter Umständen nicht an die Schulferien gebunden ist, erhält man von Mitte Juni bis Mitte September oftmals verstärkt den Hinweis, dass der/die Empfänger:in einer E-Mail aktuell nicht im Hause sei und daher nicht auf die übermittelte Nachricht reagieren könne. Drei Beispiele dazu von Rechtsanwälten:innen aus der jüngeren Vergangenheit:
Zitat
„Sehr geehrte Damen und Herren, ich kehre am (...) in das Büro zurück. Ihre E-Mail wird nicht gelesen oder weitergeleitet. In dringenden Angelegenheiten wenden Sie sich bitte an unsere Zentrale (E-Mail/Telefon). Unser Büro ist montags bis donnerstags von 9–18 Uhr und freitags von 9–17 Uhr besetzt. Vielen Dank.”
Oder noch kürzer:
Zitat
„Sehr geehrte Damen und Herren, bis einschließlich (...) bin ich urlaubsabwesend.
Dear Sir or Madam, I am absent on vacation until and including (...).”
Und ganz kurz (coronakonform):
Zitat
„Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin zurzeit nicht im (Home)Office.”
Auch wenn diese Beispiele zugegebenermaßen vermutlich die Extremfälle sind, lohnt es sich meiner Auffassung nach, sich hiermit etwas näher zu beschäftigen. Auf den ersten Blick werden zumindest in zwei der drei Fälle alle wesentlichen Rahmendaten mitgeteilt und der/die Absender:in weiß, wann er/sie frühestens mit einer Reaktion rechnen kann. Aber reicht das aus? Kann man einfach mitteilen, dass man nicht da sei und die E-Mails nicht gelesen oder bearbeitet werden? Und was ist, wenn nur auf die Abwesenheit verwiesen wird, ansonsten aber keine Informationen über die Behandlung der E-Mails mitgeteilt werden?
Mit Blick auf die Neuregelung des § 53 BRAO zum 1.8.2021, wonach der/die Rechtsanwalt/Rechtsanwältin bei einer Abwesenheit von mehr als zwei Wochen schon eine Vertretung zu bestellen hat, scheinen solch flapsig-lockere und eigentlich auch sympathisch-ehrliche Formulierungen den/die Absender:in unnötig angreifbar zu machen und Haftungsrisiken zu produzieren. Dies gilt insb. im ersten Fall, wo direkt klargestellt wird, dass die E-Mail in der Zeit der Abwesenheit weder von Dritten gelesen noch von diesen weitergeleitet wird. Zur Erinnerung: § 53 Abs. 1 BRAO lautet nunmehr wie folgt:
Zitat
„§ 53 BRAO Bestellung einer Vertretung
(1) |
Der Rechtsanwalt muss für seine Vertretung sorgen, wenn er
1. |
länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben, oder |
2. |
sich länger als zwei Wochen von seiner Kanzlei entfernen will. (...) |
|
(3) |
Soll die Vertretung einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden, so soll der Rechtsanwalt diesen selbst bestellen.” |
In den vorgenannten Beispielen haben die Ersteller:innen der Abwesenheitsnotiz vermutlich beide Alternativen erfüllt. Sie werden den Urlaub aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in der Kanzlei verbringen, sondern den Kanzleiräumen vielmehr fernbleiben wollen. In einem Fall wurde gleichzeitig auch klargestellt, dass sie in dieser Zeit auch nicht ihren Beruf ausüben möchten. Die eingehenden E-Mails werden vielmehr ignoriert. Im dritten Fall bleiben die Hintergründe unklar, wobei dem Empfängerhorizont zufolge auch von einer (teilweisen) Verhinderung auszugehen ist – welchen Sinn hätte ansonsten eine solche Abwesenheitsnotiz?
Problematisch erscheinen die Formulierungen jedoch nicht nur mit Blick auf die BRAO. Hinzu kommt ggf. noch die Regelung der §§ 675, 663 BGB, wonach der/die potenzielle Auftragnehmer:in seinem/ihrer Auftraggeber:in unverzüglich eine Mitteilung machen muss, wenn man einen angetragenen Auftrag nicht übernehmen möchte. Gerade bei fristgebundenen Sachen kann es daher zu Problemen kommen, wenn die Abwesenheitsnotiz den/die Mandanten:in nicht erreicht und er/sie sich auf eine Bearbeitung durch den/die beauftragte/n Rechtanwalt/Rechtsanwältin verlassen hat.
Auch wenn gerade bei größeren Sozietäten aufgrund von notwendigen Überprüfungen mit Blick auf etwaige Konflikte, ggf. erforderliche Know-Your-Client Abfragen wegen der Pflichten zur Geldwäscheprüfung bei Kataloggeschäften und u.U. noch weitere, die Mandatsbearbeitung im konkreten betreffende Themen hinzukommen können, sodass sich die Aktenlage und Mandatsbestätigung im Einzelfall noch etwas länger hinziehen kann und man über den Begriff der Unverzüglichkeit im konkreten Fall vermutlich trefflich streiten kann, sollte der Eindruck, dass man auf Mandatsanfragen bewusst gar nicht reagiert, tunlichst vermieden werden.
Es wird aus anwaltlicher Vorsicht von Formulierungen wie den eingangs zitierten Abwesenheitsnotizen abgeraten. Vielmehr sollte durch interne Arbeitsanweisungen und die Zuweisung von Lese- bzw. Zugriffsrechten dafür Sorge getragen werden, dass eingehende E-Mails auch in der Zeit der Urlaubsabwesenheit regelmäßig von Dritten kontrolliert und die notwendigen Maßnahmen getroffen werden können. Hierauf kann man mit Hilfe der Abwesenheitsnotiz z.B. wie folgt hinweisen:
Zitat
„Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich bin derzeit nicht im Büro und habe daher nur sehr eingeschränkten Zugang zu...