Zusammenfassung
Hinweis:
Der vorliegende Beitrag schließt an den Beitrag des Verfassers in ZAP F. 3, S. 309 ff. „Die Transformation der EU-Warenkaufrichtlinie ins BGB” an. Das BGB-Leistungsstörungs- und Kaufrecht erfährt in 2021/2022 umfassende Änderungen, die in der anwaltlichen Beraterpraxis zu beachten sind: Nachfolgend werden die Neuregelungen für Verträge über digitale Produkte vorgestellt.
In Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (fortan: RL, ABl L 136 v. 22.5.2019, S. 1; L 305 v. 26.11.2019, S. 62), die auf eine Vollharmonisierung von Teilbereichen des mitgliedstaatlichen (Verbraucher-)Vertragsrechts betreffend Verträge über digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen zielt, erfolgt durch das entsprechende Umsetzungsgesetz vom 25.6.2021 (BGBl I, S. 2123) zum 1.1.2022 eine umfassende Regelung der Verträge über digitale Produkte im BGB.
I. „Bezahlen mit Daten” und Verbrauchervertrag
Nach § 312 Abs. 1 BGB sind die Vorschriften der Kap. 1 (Anwendungsbereich und Grundsätze bei Verbraucherverträgen – §§ 312 bis 312a BGB) und Kap. 2 (Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge – §§ 312b bis h BGB) des Untertitels 2 (Grundsätze bei Verbraucherverträgen und besonderen Vertriebsformen) auf Verbraucherverträge i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB (Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher) anzuwenden, „bei denen sich der Verbraucher zu der Zahlung eines Preises verpflichtet”.
Preis ist eine vereinbarte Geldleistung. „Sofern die Vertragsparteien als Gegenleistung die digitale Darstellung eines Wertes vereinbart haben, dürfte jedoch auch diese im Art. 2 Nr. 9 der RL erwähnte Leistung die Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB auslösen, auch wenn dies nicht ausdrücklich in der VerbrRRL niedergelegt ist” (RegE, BT-Drucks 19/27653, S. 35).
Die genannten Regelungen sind gem. § 312 Abs. 1a S. 1 BGB – der die Bedingungen normiert, unter denen die Vorschriften der §§ 312 ff. BGB auf Verträge anwendbar sind, bei denen „mit Daten bezahlt” wird (RegE, a.a.O., S. 35) – auch auf Verbraucherverträge anzuwenden, bei denen der Verbraucher dem Unternehmer personenbezogene Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO bereitstellt (i.w.S., bspw. auch wenn der Unternehmer Cookies setzt oder Metadaten wie Informationen zum Gerät des Verbrauchers oder zum Browserverlauf erhebt) oder sich hierzu verpflichtet. „Auf die Frage der datenschutzrechtlichen Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung kommt es für die Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB nicht an” (RegE, a.a.O., S. 36, da es dem erklärten Ziel der Regelungen widersprechen würde, wenn der Verbraucher nicht in den Genuss der verbraucherschützenden Vorschriften kommen würde, weil sich der Unternehmer rechtswidrig verhält und der Verbraucher hierauf keinen Einfluss nehmen kann).
Zu einer Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB kommt es nach § 312 Abs. 1a S. 2 BGB in Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 RL nur dann nicht, wenn der Unternehmer die vom Verbraucher bereitgestellten personenbezogenen Daten ausschließlich verarbeitet, um seine Leistungspflicht (z.B. die Erhebung von Name, Postanschrift oder E-Mail-Adresse, um dem Vertragspartner die vereinbarte Leistung zukommen zu lassen, wobei der Umfang der Datenerhebung die datenschutzrechtlichen Beschränkungen beachten muss) oder an ihn gestellte rechtliche Anforderungen (z.B. des Steuer- und Ordnungsrechts) zu erfüllen und sie (d.h. die Daten) zu keinem anderen Zweck verarbeitet (RegE, a.a.O., S. 36).
Hinweis:
§ 312 Abs. 1a S. 2 BGB greift nur, wenn der Unternehmer die erhobenen Daten nach deren Erhebung nicht zu anderen Zwecken (weiter) verwendet, da nach dem datenschutzrechtlichen Grundsatz der Zweckbindung (Art. 5 Abs. 1b DSGVO) „personenbezogene Daten nur für vorab festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben und nicht in einer mit diesen Zwecken unvereinbaren Weise weiterverarbeitet werden” dürfen (RegE, a.a.O., S. 37).
„Verträge, bei denen Verbraucher anstelle oder neben der Zahlung eines Preises dem Unternehmer personenbezogene Daten bereitstellen oder sich zu deren Bereitstellung verpflichten, fallen sowohl in den Anwendungsbereich der VerbrRRL als auch in den Anwendungsbereich der RL” (RegE, a.a.O., S. 34). Insoweit verweisen die §§ 327 ff. BGB neu (vgl. etwa § 327 Abs. 2 BGB) auf die besonderen Bestimmungen zum sog. Bezahlen mit Daten in § 312 Abs. 1a S. 2 BGB.
Die Neufassung des § 312 Abs. 1 und Abs. 1a BGB erfolgt im Rahmen einer vorgezogenen Umsetzung der Änderungen, welche die Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinien 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union (Modernisierungsrichtlinie – ModRL) an die VerbrRRL vornimmt und die nach Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 ModRL bis zum 28.11.2021 umzuse...