Literaturhinweis:
Zu Rechtsgrundlagen und Systematik des bußgeldrechtlichen Fahrverbots wird verwiesen auf Deutscher, in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl. 2015, Rn. 1461 ff., 1721 ff. Übersicht zur Entwicklung des Fahrverbots im Jahr 2014 bei Deutscher NZV 2015, 366. Zum Absehen vom Fahrverbot (2012–2015) s. Burhoff, VRR 5/2015, 3 und 7/2015, 3.
a) Tatbestand des Fahrverbots
Ein Augenblicksversagen kann unter den Vorgaben von BGHSt 43, 241 = NZV 1997, 525 zum Wegfall der Tatbestandswirkung des Regelfalls für die Anordnung eines Fahrverbots führen. Das kann vorliegen, wenn der Betroffene ein unübersichtliches Verkehrsgeschehen falsch gedeutet oder eine verwirrende Verkehrsregelung falsch verstanden hat, auf eine besonders schwierige, insbesondere überraschend eingetretene Verkehrslage falsch reagiert oder ein Verkehrszeichen schlicht übersehen hat und die sichtbaren äußeren Umstände auch nicht auf eine Beschränkung oder ein Ge- oder Verbot hingedeutet haben. Die fehlende Ortskenntnis ist kein Umstand, der einen groben Verkehrsverstoß in einem milderen Licht erscheinen lässt (OLG Düsseldorf DAR 2015, 213). Auf eine argumentativ nachvollziehbare tatrichterliche Begründung eines bußgeldrechtlichen Fahrverbots kann regelmäßig dann nicht verzichtet werden, wenn die Fahrverbotsanordnung auf einen beharrlichen Pflichtenverstoß außerhalb des Regelfalls i.S.v. § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV gestützt wird (OLG Bamberg DAR 2015, 394 = zfs 2015, 231 m. Anm. Krenberger). In solchen Fällen kommt es mit Blick auf die Gewichtung der zeitlichen Abfolge der festgestellten und noch verwertbaren Vorahndungen des Betroffenen i.d.R. auf den Zeitpunkt des Rechtskrafteintritts der die frühere Zuwiderhandlung ahndenden Entscheidung an, wobei neben der Angabe des Zeitpunkts des jeweiligen Rechtskrafteintritts der früheren Zuwiderhandlungen hinaus stets auch die Mitteilung der jeweiligen Tatzeiten und der Erlasszeiten der bußgeldrechtlichen Vorahndungsentscheidungen in den Urteilsgründen wünschenswert ist (OLG Bamberg DAR 2015, 392).
Die wiederholte unbefugte Benutzung eines Mobiltelefons kann die Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigen (OLG Düsseldorf NZV 2015, 203 = VRR 1/2015, 14 [Küppers]). Eine notstandsähnliche Lage kann die Regelwirkung des Regelbeispiels entfallen lassen (OLG Celle VRR 4/2015, 15 [Burhoff]: Geschwindigkeitsüberschreitung bei notwendiger Hilfeleistung für gestürzte Mutter; vgl. a. OLG Bamberg NJW 2015, 1320 = NZV 2015, 309 = DAR 2015, 396).
b) Angemessenheit des Fahrverbots
Der Betroffene soll sich nicht auf die Unverhältnismäßigkeit der Anordnung eines Fahrverbots berufen können, wenn er die Gelegenheit zur verhältnismäßigen Ableistung des Fahrverbots, etwa einen Krankenhausaufenthalt oder die Nebensaison seines Arbeitgebers, eigenverantwortlich verstreichen lässt. Der Betroffene dürfe nicht die Hauptverhandlung abwarten, sondern müsse ab Erhalt des Bußgeldbescheids, Vorbereitungen dafür treffen, das Fahrverbot "sozialkonform" anzutreten (so AG Landstuhl DAR 2015, 415 m. Anm. Krumm = VRR 7/2015, 15 [Deutscher]). Das kann aber allenfalls länger geplante Krankenhausaufenthalte betreffen, nicht aber akute Notfalleinlieferungen (Deutscher a.a.O.).
Literaturhinweis:
Zum Wegfall der Erforderlichkeit des Fahrverbots nach Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Maßnahme näher bei Wolf/Uhle DAR 2015, 352.
c) Dauer des Fahrverbots
Bei tateinheitlicher Begehung mehrerer, jeweils fahrverbotsbegründender Verstöße kommt eine Addition beider Fahrverbote grundsätzlich nicht in Betracht (KG DAR 2015, 274 = VRR 5/2015, 12 [Deutscher]). Werden solche Verstöße tatmehrheitlich begangen, ging die bislang einhellige Rechtsprechung davon aus, dass dann nur ein Fahrverbot anzuordnen ist. Aus dieser Phalanx will das OLG Hamm ausscheren und hat dem BGH die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob in einem solchen Fall nur ein einheitliches Fahrverbot zu verhängen oder mehrere Fahrverbote anzuordnen sind (DAR 2015, 535 m. Anm. Zopfs = VRR 8/2015, 11 [Deutscher]). Die Entscheidung des BGH bleibt abzuwarten.
Literaturhinweis:
Zur Parallelvollstreckung mehrerer Fahrverbote s. Seutter DAR 2015, 428.