Hinweise:
- Zu Rechtsgrundlagen und Systematik des bußgeldrechtlichen Fahrverbots wird verwiesen auf Deutscher, in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl. 2015, Rn 1461 ff., 1721 ff.
- Zur Entwicklung des straßenverkehrsrechtlichen Fahrverbots im Jahr 2015 näher Deutscher NZV 2016, 209. Vermeintlich restriktive Tendenzen beim Wegfall des Regelfahrverbots in der neueren Rechtsprechung vor allem des OLG Bamberg beschreibt Deutscher VRR 8/2016, 4; 9/2016, 4.
a) Tatbestandsvoraussetzung des Fahrverbots
Erfolgt die Geschwindigkeitsmessung unter einem Verstoß gegen die Richtlinien zur Verkehrsüberwachung (etwa in einem zu geringen Abstand zum Verkehrsschild), ist das für den festgestellten Geschwindigkeitsverstoß und damit für das festzusetzende Bußgeld grundsätzlich unbeachtlich. Wenn bei Einhaltung der Richtlinie die Indizwirkung des Fahrverbots entfallen würde, kann das Tatgericht bei entsprechender Begründung, aus Gründen der Gleichheit von der Verhängung eines Fahrverbots absehen (sog. Wegfall des Handlungsunwerts; OLG Frankfurt NZV 2016, 444 = DAR 2016, 395 = NStZ-RR 2016, 226 = VRR 8/2016, 14 [Deutscher]). Ein defekter Tachometer soll den Handlungsunwert eines Geschwindigkeitsverstoßes mit der Folge des Wegfalls des Fahrverbots herabsetzen (AG Lüdinghausen NZV 2016, 294 = zfs 2016, 413 m. Anm. Krenberger).
Ein Augenblicksversagen kann nach den Vorgaben des BGH (BGHSt 43, 241 = NZV 1997, 525) zum Wegfall der Tatbestandswirkung des Regelfalls für die Anordnung eines Fahrverbots führen. Bei einem Rotlichtverstoß rechtfertigt eine Verwechslung des Rotlichts der für den fließenden Verkehr maßgeblichen Lichtzeichenanlage mit dem Grünlicht der in gleiche Richtung führenden Fußgängerampel regelmäßig nicht den Wegfall des verwirkten Fahrverbots wegen Augenblicksversagens (OLG Bamberg NZV 2016, 243 [Ls.] = zfs 2016, 50 m. Anm. Krenberger; VRR 5/2016, 17 [Deutscher]). Es muss sich um eine gleichsam spontane Fehlreaktion innerhalb eines Verkehrsgeschehens handeln, was nicht der Fall ist, wenn das fragliche Fehlverhalten des Betroffenen bereits vorgelagert war (OLG Bamberg VRR 7/2016, 18 [Deutscher]).
b) Erforderlichkeit des Fahrverbots
Ein erheblicher Zeitablauf (Richtwert: Mindestens zwei Jahre) zwischen Tat und Ahndung lässt nach allgemeiner Ansicht die Erforderlichkeit des Fahrverbots entfallen. Zum strafrechtlichen Fahrverbot nach § 44 StGB hat das OLG Stuttgart (NZV 2016, 292 = StRR 7/2016, 19 = VRR 7/2016, 14 [jew. Burhoff]) entschieden, dass bei der Frage, ob wegen Zeitablaufs von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen ist, die zwischen der angefochtenen Entscheidung und der Entscheidung des Revisionsgerichts verstrichene Zeit nicht zu berücksichtigen sei. Das entspricht der allerdings nicht unbestrittenen Ansicht beim bußgeldrechtlichen Fahrverbot (näher m. Nw. Burhoff/Deutscher, a.a.O., Rn 1449).
c) Angemessenheit des Fahrverbots
Das Absehen vom Fahrverbot wegen angedrohter Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann keinen Bestand haben, wenn der Tatrichter seine Feststellungen ausschließlich auf die durch ein verlesenes Schreiben des Arbeitgebers untermauerten Angaben des Betroffenen stützt und die Urteilsgründe eine kritische Auseinandersetzung, ob sich seine Angaben im Ergebnis lediglich als durch das Fahrverbot bedingte berufliche Nachteile oder Unbequemlichkeiten darstellen, vermissen lassen (KG NJW 2016, 1110 m. Anm. Krumm = DAR 2016, 281). Macht der Betroffene mit Blick auf ein bußgeldrechtliches Fahrverbot geltend, aus gesundheitlichen Gründen (Reisekrankheit) weder Mitfahrmöglichkeiten als Bei- oder Mitfahrer noch öffentliche Verkehrsmittel nutzen zu können, sondern auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs als dessen Fahrer angewiesen zu sein, darf sich das Tatgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung auch dann nicht mit einer einseitig unkritischen Würdigung der Betroffeneneinlassung begnügen, wenn die geltend gemachte Krankheit zwar ärztlich bescheinigt ist, aus der Bescheinigung aber nicht hervorgeht, aufgrund welcher objektiv-wissenschaftlichen Standards die ihr zugrunde gelegten Befunde festgestellt worden sind. Ein Absehen von einem Regelfahrverbot ist nicht schon dann gerechtfertigt, wenn die besondere Härte lediglich mit erwarteten erheblichen Ertrags- oder Gewinneinbußen begründet wird, wenn nicht zugleich konkret aufgezeigt ist, dass diese mit einer drohenden Existenzgefährdung einhergehen. Denn nur dann ist das Tatgericht gehalten, entsprechenden Behauptungen des Betroffenen im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht weiter nachzugehen (OLG Bamberg zfs 2016, 290 m. Anm. Krenberger = VRR 7/2016, 16 [Deutscher]). Bei einem möglicherweise drohenden Arbeitsplatz- oder Existenzverlust bedarf es umfassender Aufklärung durch das Tatgericht, sofern der Betroffene entsprechende Anknüpfungstatsachen vorbringt. Eine Beweislast trifft den Betroffenen insoweit aber nicht (OLG Karlsruhe DAR 2016, 91 m. Anm. Kabus = VRR 9/2106, 17 [Burhoff]).
d) Dauer des Fahrverbots
Der BGH hat auf Vorlage des OLG Hamm (DAR 2015, 535 m. Anm. Zopfs = VRR 8/2015, 11 [Deutscher]) entschieden, dass bei tatmehrheitlicher Begehung mehrerer j...