a) Öffentlich-rechtliche Straßenverkehrssicherungspflicht
Nach der ständigen BGH-Rechtsprechung (s. nur Urt. v. 6.3.2014 – III ZR 352/13, juris Rn 7 = VersR 2014, 722, 723) erstreckt sich die Straßenverkehrssicherungspflicht auch auf den Schutz vor Gefahren durch Bäume:
Zitat
"Der Verkehrssicherungspflichtige muss daher Bäume oder Teile von ihnen entfernen, die den Verkehr konkret gefährden, insbesondere wenn sie nicht mehr standsicher sind oder wenn Äste herabzustürzen drohen. Allerdings stellt jeder Baum an einer Straße oder an einem öffentlichen Parkplatz eine mögliche Gefahr dar. Denn einerseits können auch völlig gesunde Bäume vom Sturm, selbst bei nicht außergewöhnlicher Windstärke, entwurzelt oder geknickt oder Teile von ihnen abgebrochen werden; auch Schneeauflage oder starker Regen können zum Absturz selbst von größeren Ästen führen. Andererseits ist die Erkrankung oder Vermorschung eines Baums von außen nicht immer erkennbar. Das gebietet aber nicht die Entfernung aller Bäume aus der Nähe von Straßen und öffentlichen Parkplätzen oder eine besonders gründliche Untersuchung jedes einzelnen Baums. Der Umfang der notwendigen Überwachung und Sicherung kann nicht an dem gemessen werden, was zur Beseitigung jeder Gefahr erforderlich ist; es ist unmöglich, den Verkehr völlig risikolos zu gestalten. Dieser muss gewisse Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln entstehen, sondern auf Gegebenheiten der Natur selbst beruhen, als unvermeidlich hinnehmen. Die Behörden genügen daher ihrer Sicherungs- und Überwachungspflicht, wenn sie –âEUR¯außer der stets gebotenen regelmäßigen Beobachtung auf trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen oder FrostrisseâEUR¯– eine eingehende Untersuchung dort vornehmen, wo besondere Umstände –âEUR¯wie das Alter des Baums, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung oder sein statischer Aufbau oder ÄhnlichesâEUR¯– sie dem Einsichtigen angezeigt erscheinen lassen."
Hinweis:
Diese Formulierungen beruhen auf den oben unter II. 1. aufgezeigten Erkenntnissen, dass eine jeden Schadensfall ausschließende Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht nicht möglich ist und die Haftung des Verpflichteten nicht ausufern darf.
Beispielhaft für die Anwendung dieser Grundsätze der öffentlich-rechtlichen Straßenverkehrssicherungspflicht sei folgender Fall genannt:
Beispiel:
(nach BGH, Urt. v. 6.3.2014 – III ZR 352/13, VersR 2014, 722 ff.)
Auf beiden Seiten der vor einem Wohnblock verlaufenden öffentlichen Straße befinden sich Parkplätze, welche auch von den Anwohnern genutzt werden. An die Parkplätze grenzt ein zum Straßengelände gehörender Grünstreifen an, auf welchem 50 bis 60 Jahre alte Pappeln stehen. Ein Bewohner des Gebäudes stellte im Juni 2011 seinen Pkw auf einem der Parkplätze in der Nähe der Bäume ab. Am nächsten Morgen stellte er fest, dass von einer der Pappeln ein grün belaubter Ast auf das Auto gefallen war und das Fahrzeugdach beschädigt hatte. Die Reparaturkosten von 2.000 EUR hat er von der Gemeinde, die Trägerin der Straßenbaulast ist, ersetzt verlangt. Diese hat sich damit verteidigt, dass sie im Sommer 2010 und im Winter 2010/2011 jeweils eine Baumkontrolle durchgeführt habe, bei denen keine Anzeichen für einen drohenden Astabbruch festzustellen gewesen seien.
Der BGH hat angenommen, dass die Gemeinde ihre Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt habe. Die Pappel, von welcher der Ast abgebrochen war, und auch der Ast selbst seien vor dem Abbruch gesund gewesen. Dies habe ein Sachverständiger in der Berufungsinstanz vor dem OLG festgestellt. Bei den von der Gemeinde durchgeführten Baumkontrollen hätten deshalb keine bevorstehenden Astabbrüche erkannt werden können.
Das Urteil reiht sich in die ständige BGH-Rechtsprechung (s. oben) ein. Der BGH hat jedoch den Fall zum Anlass genommen, die bisherige Rechtsprechung fortzuentwickeln. Er hat die Frage aufgeworfen, ob bei Bäumen wie Pappeln oder anderen Weichgehölzen ein erhöhtes Risiko dafür besteht, dass auch im gesunden Zustand Äste abbrechen, und wenn ja, ob der Verkehrssicherungspflichtige besondere Maßnahmen zur Vermeidung des Astabbruchs ergreifen muss. Anlass für diese Fragestellung waren die unterschiedlichen Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur zu der Beurteilung solcher Fälle (s. die Nachweise in BGH, Urt. v. 6.3.2014 – III ZR 352/13, juris Rn 10, 11 = VersR 2014, 722, 723). Teilweise wird die Auffassung vertreten, Pappeln seien als "Gefahrenbäume" im Bereich von Parkplätzen grundsätzlich zu entfernen; zumindest seien sämtliche in die Verkehrsfläche hineinragenden Äste zu beseitigen oder die Fläche unter den Bäumen für den Verkehr zu sperren. Es überwiegt jedoch die Meinung, dass ein natürlicher Astabbruch, für den vorher keine besonderen Anzeichen bestanden haben, auch bei hierfür anfälligeren Baumarten grundsätzlich zu den naturgebundenen und daher hinzunehmenden Lebensrisiken gehöre.
Hinweis:
Das gilt nach dem genannten Urteil sogar dann, wenn bereits vor dem aktuellen Schadensfall Äste von den Pappeln abgebrochen waren, ohne Schäden anzurichten.
b) Verkehrssicherungspflicht des privaten Straßenanliegers
Der BGH hat die für j...