Die OLG verteidigen weiterhin ihre Grundsätze zum standardisierten Messverfahren und deren Auswirkungen auf das Bußgeldverfahren. Dabei handelt es sich um ein durch Normen vereinheitlichtes technisches Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081, 3083; BGHSt 43, 277 = NJW 1998, 321, 322).
Hinweis:
Insofern gilt ein Regel-Ausnahme-Verhältnis: Ohne konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler genügt das Gericht mit der Feststellung von Messverfahren und Toleranzabzug seiner Aufklärungs- und Darstellungspflicht (Regelfall). Anderes gilt nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für einen Messfehler (Ausnahme), wofür es regelmäßig konkreter, einer Beweiserhebung zugänglicher Einwände des Betroffenen bedarf.
Im Grundsatz genügt im Urteil die Angabe des verwendeten standardisierten Messverfahrens und des abgezogenen Toleranzwertes. Der Bauartzulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) soll die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zukommen.
Im Berichtszeitraum sind folgende Messgeräte als standardisiert anerkannt worden:
- PoliScan Speed (OLG Frankfurt zfs 2018, 234 = VRR 12/2017, 14 = StRR 12/2017, 18 [jew. Deutscher], OLG Zweibrücken NStZ-RR 2018, 156 = zfs 2018, 349 m. Anm. Krenberger: Aus einem aus Einzelmessungen ermittelten Vergleichswert ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine Fehlmessung, wenn dieser Wert noch innerhalb der Eichfehlergrenze liegt),
- LEIVTEC XV3 (OLG Köln zfs 2018, 407 = VRR 7/2018, 17 [Deutscher]; OLG Celle zfs 2018, 470),
- M5 RAD2 (VDS) (OLG Düsseldorf VRR 8/2018, 14 [Burhoff]).
Beim Messgerät ES3.0 fehlt es daran, wenn abweichend von der Bedienungsanleitung die gerätespezifische Fotodokumentation der Messung allein durch eine funkgesteuerte, jedoch ungeeichte Zusatzfotoeinrichtung und nicht auch durch die nach der Bedienungsanleitung vorgesehenen eichpflichtigen und mittels Kabel mit der Rechnereinheit verbundenen Fotoeinrichtungen erfolgt (OLG Bamberg NStZ-RR 2018, 122 = zfs 2018. 231 m. Anm. Krenberger = VRR 4/2018, 20 [Deutscher]).
Ein möglicher Mangel bei einem standardisierten Messverfahren muss qualitativ und quantitativ konkret festgestellt werden und kann nicht durch einen willkürlichen Zuschlag von Prozentpunkten auf den Toleranzwert überdeckt werden (OLG Koblenz zfs 2018, 410).
Die Kosten für die Erstellung eines Gutachtens durch einen Privatsachverständigen können auch bei erfolgter Ermittlung eines Rotlichtverstoßes mittels eines standardisierten Messverfahrens im Einzelfall erstattungsfähig sein, wenn sie im Rahmen einer ex-ante Betrachtung als notwendig i.S.v. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 464a Abs. 2 StPO einzustufen sind.
Praxishinweis:
Wäre der Verteidiger mangels eigener technischer Sachkunde bezogen auf den Aufbau, die Ausrichtung und die Handhabung der verfahrensgegenständlichen Rotlichtüberwachungsanlage anderweitig nicht in der Lage gewesen, konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Messanlage zu begründen, sind die Kosten für die Erstellung eines entsprechenden Privatgutachtens erstattungsfähig (LG Wuppertal VRR 8/2018, 17 [Burhoff]; vgl. auch LG Duisburg NZV 2018, 291 [Krenberger]).