Hinweis:
In der widerspruchslosen Feststellung des Haftpflichtanspruchs des Geschädigten zur Insolvenztabelle liegt ein Anerkenntnis i.S.d. § 106 S. 1 VVG. Dem kommt jedoch eine bindende Wirkung für den Versicherer regelmäßig nur in dem Umfang zu, in welchem eine Haftpflichtschuld des Versicherungsnehmers nach materieller Rechtslage tatsächlich besteht (BGH NJW 2021, 1823 = zfs 2021, 621).
a) Fiktive Abrechnung
Ein Geschädigter hat grds. die Wahl, ob er nach einer Beschädigung seines Pkw die tatsächlich angefallenen oder die ausweislich eines Sachverständigengutachtens erforderlichen Reparaturkosten als Schadenersatz geltend macht. Ein Geschädigter ist im Fall fiktiver Schadenabrechnung nicht verpflichtet, zu von ihm veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen (OLG München DAR 2021, 208 = NJW-RR 2021, 340). Eine fiktive Abrechnung ist auch nach Ankündigung der Absicht einer konkreten Abrechnung und erfolgter Reparatur zulässig (OLG Düsseldorf DAR 2021, 199 m. Bespr. Staub, S. 228). Wird ein Unfallschaden fiktiv abgerechnet, besteht gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung keine Pflicht zur Vorlage der Reparaturrechnung. Diese Pflicht besteht nur, wenn neben den Nettoreparaturkosten ebenfalls die auf die Reparaturkosten angefallene Mehrwertsteuer geltend gemacht wird (AG Düsseldorf NZV 2021, 270 m. Anm. Thiel).
b) Konkrete Schadensabrechnung
Erleidet der nicht vorsteuerabzugsberechtigte Geschädigte, der den verunfallten Pkw finanziert und an die Bank sicherheitsübereignet hat und der erforderliche Reparaturen ausführen lassen muss, einen Unfallschaden, hat er als berechtigter unmittelbarer Besitzer des beschädigten Fahrzeuges einen eigenen Anspruch auf Erstattung der tatsächlichen Reparaturkosten inklusive Mehrwertsteuer gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung unter dem Gesichtspunkt des sog. Haftungsschadens (LG Coburg DAR 2021, 459; zur Abwicklung von Haftpflichtschäden bei Leasingfahrzeugen Hettwer DAR 2021, 287). Erwirbt der Geschädigte bei einem wirtschaftlichen Totalschaden in Abkehr vom Wirtschaftlichkeitsgebot ein Neufahrzeug, kann er den Schaden gleichwohl konkret – beschränkt auf den Brutto-Wiederbeschaffungsaufwand nach Gutachten – abrechnen. Nutzungsausfall steht ihm dabei nur für die objektiv erforderliche Zeit der wirtschaftlich gebotenen Ersatzbeschaffung eines gleichwertigen Gebrauchtwagens zu (LG Saarbrücken VRR 5/2021, 14 m. Anm. Schroeder).
Hinweis:
Von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schadenshöhe wird v.a. dann regelmäßig gem. § 287 Abs. 1 S. 2 ZPO abzusehen sein, wenn die Kosten der Begutachtung dasjenige deutlich übersteigen, was nach einer richterlichen Schätzung absehbar an Unsicherheit verbleibt. Eine rein richterliche Schätzung verbietet sich nur dort, wo es keine konkreten Anhaltspunkte gibt, auf die eine Schätzung gestützt werden kann (OLG Nürnberg NJW-RR 2021, 481).
c) 130 %-Regelung
Der Geschädigte eines Kfz-Unfalls kann auch dann auf Basis der konkreten Reparaturkosten abrechnen, wenn zwar der Sachverständige im Gutachten eine Überschreitung des 1,3-fachen Wiederbeschaffungswerts angenommen hat, tatsächlich jedoch mit Hilfe von Einsparmaßnahmen eine fach- und gutachtengerechte Reparatur unter diesem Schwellenwert erfolgt ist (LG Frankfurt/O. DAR 2021, 215 m. Anm. Engel). Bei dem Vergleich der Reparatur- mit den Wiederbeschaffungskosten gilt, dass dann, wenn der Geschädigte nach entsprechender Information den Weg der Schadensbehebung mit dem vermeintlich geringeren Aufwand wählt, das Werkstatt- und das Prognoserisiko zu Lasten des Schädigers gehen, falls nicht ausnahmsweise dem Geschädigten insoweit ein Auswahl- bzw. Überwachungsverschulden zur Last fällt, welches vom Schädiger darzulegen und zu beweisen ist. Der Zeitpunkt, in dem das Prognoserisiko auf den Schädiger übergeht, ist der, in dem der Geschädigte auf der Grundlage eines Schadensgutachtens berechtigterweise sich für die Instandsetzung entscheidet und den Reparaturauftrag erteilt (OLG Hamm DAR 2021, 328).
d) Corona-Pandemie: Kosten der Fahrzeugdesinfektion
Umstritten ist, ob wegen der Corona-Pandemie nach erfolgter Reparatur eines Fahrzeugs die Kosten für eine Fahrzeugdesinfektion zu erstatten sind (so AG Heinsberg DAR 2020, 695 = SVR 2021, 92 m. Anm. Balke; AG München DAR 2021, 38; AG Siegburg DAR 2021, 159; AG Aachen VRR 6/2021, 12 m. Anm. Nugel – Kaskoversicherung; a.A. LG Stuttgart DAR 2021, 217; AG Hannover VRR 6/2021, 14 m. Anm. Nugel; AG Kassel NJW-RR 2021, 818; näher Staudinger/Altun NZV 2021, 169; Böhm/Nugel zfs 2021, 244; Deutscher zfs 2021, S. 544 f.).
e) Mietwagen und Nutzungsausfallentschädigung
Als erforderlichen Herstellungsaufwand hat der Schädiger den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten zu tragen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf, wobei er nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit gehalten ist, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Bei Beschädigung eines Taxis sind Kosten für ein Ersatztaxi für den gesamten Zeitraum de...