Die bisherigen Überlegungen führen also nicht dazu, den Unterhaltsanspruch des Kindes K1 sicherzustellen. Um dieses angesichts des Gleichrangs beider Kinder nicht akzeptable Ergebnis zu vermeiden, greift die Rechtsprechung wieder auf eine gewisse Erwerbstätigkeit des unterhaltspflichtigen Kindesvaters V zurück trotz der von ihm in seiner neuen Ehe zulässigerweise gewählten Rolle als Hausmann. Seine Erwerbsobliegenheit wird also im Hinblick auf seine verschärfte Haftung allen seinen minderjährigen Kindern gegenüber nicht vollständig eingeschränkt. Daher muss in dieser Fallsituation ein Elternteil trotz der ihm obliegenden Betreuung von Kindern aus einer neuen Ehe einer Erwerbstätigkeit nachgehen (BGH, Beschl. v. 11.2.2015 – XII ZB 181/14, NJW 2015, 1178 m.w.N.; OLG Schleswig, Beschl. v. 12.1.2015 – 10 UF 171/14, FuR 2015, 363 m.w.N.).
Der Umfang seiner Erwerbsobliegenheit richtet sich daher maßgeblich nach den bestehenden Unterhaltspflichten ohne Berücksichtigung des eigenen Unterhaltsbedarfs, wenn und soweit der Eigenbedarf des haushaltsführenden Ehegatten durch den Unterhalt gesichert ist, den ihm sein Ehegatte nach Maßgabe der §§ 1360, 1360a BGB schuldet (BGH, Versäumnisurt. v. 12.11.2003 – XII ZR 111/01, FamRZ 2004, 364; BGH, Urt. v. 12.4.2006 – XII ZR 31/04, FamRZ 2006, 1010). Im Hinblick auf die gesteigerte Unterhaltspflicht werden daher auch gesteigerte Anforderungen an die Ausnutzung der Arbeitskraft gestellt, um zumindest den Unterhalt nach der ersten Gruppe der Düsseldorfer Tabelle und damit den gesetzlich definierten Mindestbedarf sicherzustellen.
Begründen lässt sich dies mit der allgemeinen Obliegenheit eines verschärft haftenden Elternteils, der den Mindestunterhalt seines Kindes mit dem Einkommen aus einer vollschichtigen Tätigkeit nicht sicherstellen kann, eine zusätzliche Nebentätigkeit aufzunehmen. Dementsprechend muss der unterhaltspflichtige Ehegatte im Allgemeinen seine häusliche Tätigkeit in der neuen Ehe auf das unbedingt notwendige Maß beschränken und wenigstens eine Nebentätigkeit aufnehmen, um auch zum Unterhalt der gleichrangig Unterhaltsberechtigten aus einer früheren Beziehung beitragen zu können (BGH, Beschl. v. 11.2.2015 – XII ZB 181/14, NJW 2015, 1178; BGH, Urt. v. 21.2.2001 – XII ZR 308/98, BGHZ 147, 19–28; BGH, Urt. v. 13.3.1996 – XII ZR 2/95, FamRZ 1996, 796; BGH, Urt. v. 18.10.2000 – XII ZR 191/98, NJW-RR 2001, 361–363; BGH, Urt. v. 12.4.2006 – XII ZR 31/04, FamRZ 2006, 1010; Klinkhammer in: Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 10. Aufl. 2019, § 2 Rn 255).
Der neue Ehegatte hat die Erfüllung dieser Obliegenheit nach dem Rechtsgedanken des § 1356 Abs. 2 BGB zu ermöglichen, zumal bei der Aufgabenverteilung in der neuen Ehe die beiderseits bekannte Unterhaltslast gegenüber Kindern aus früheren Ehen berücksichtigt werden muss. Denn der neue Ehegatte müsste es auch im Falle der Vollerwerbstätigkeit des unterhaltspflichtigen Ehegatten hinnehmen, dass die Einnahmen daraus nicht ganz zur Bestreitung des Familienunterhalts zur Verfügung stünden, sondern zum Teil zum Unterhalt der gleichrangigen Kinder aus der früheren Ehe verwendet werden müssten (Volker FuR 2014, 139 m.w.N.). Der Ehegatte ist folglich gehalten, den Unterhaltspflichtigen bei der Kindesbetreuung nach Kräften zu entlasten und ihm so eine zeitweise Erwerbstätigkeit zu ermöglichen (BGH, Urt. v. 13.3.1996 – XII ZR 2/95, FamRZ 1996, 796; BGH, Urt. v. 21.2.2001 – XII ZR 308/98, BGHZ 147, 19).
Auch die Betreuung eines Kleinkindes aus einer neuen Beziehung steht dann der Verpflichtung zu einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Dies gilt auch für eine barunterhaltspflichtige Mutter (OLG Koblenz, Beschl. v. 8.3.2021 – 7 UF 613/20, FamRZ 2021, 1037).
Da es um Minderjährigenunterhalt geht, werden bei der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit strengere Anforderungen an den Unterhaltspflichtigen aufgestellt als im Rahmen des Ehegattenunterhalts. Der Umfang einer Verpflichtung zur Aufnahme einer Nebentätigkeit bemisst sich danach, in welchem Maße der barunterhaltspflichtige Elternteil nach den individuellen Verhältnissen in seiner zweiten Ehe zu einer solchen Tätigkeit in der Lage ist. Dabei sind neben dem Alter der von ihm betreuten Kinder auch die berufliche Inanspruchnahme seines neuen Ehegatten und sonstige Betreuungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Ist der neue Ehegatte beruflich derart belastet, dass er den barunterhaltspflichtigen Ehegatten nicht persönlich entlasten kann oder will, ist allerdings zu prüfen, ob er seiner Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die weiteren Unterhaltspflichten seines Ehegatten nicht auf andere Weise genügen kann. Das kann auch durch die Finanzierung einer Hilfe für die Haushaltsführung und Kindesbetreuung geschehen (Volker FuR 2014, 139 m.w.N.). Einschränkungen wurden dabei jedoch dann anerkannt, wenn bei der Betreuung der Kinder aus der zweiten Ehe besondere Belastungen aufgrund einer Schwerbehinderung der Kinder auftreten (OLG Koblenz, Urt. v. 23.12.2004 – 7 UF 768/04, OLGR Koblenz 2005, 403).
Als Maßstab für...