Gebietsverträglichkeit eines Feuerwehrgerätehauses
Wird in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet die Baugenehmigung für den Neubau eines Feuerwehrgerätehauses erteilt, stellt sich die Frage nach der Gebietsverträglichkeit. Hiergegen lässt sich einwenden, das Ein- und Ausrücken der Einsatzfahrzeuge sowie die An- und Abreise der Einsatzkräfte mit dem Pkw lösten Immissionen aus, die zu gebietsunüblichen Störungen führten und Unruhe in das Gebiet brächten.
Die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet. Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grds. auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. Durch Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Im Rahmen dieses nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll daher jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können (st. Rspr., BVerwGE 94, 151, 155 ff.; BVerwGE 101, 364, 374 f.). In einem faktischen Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB besteht ein identischer Nachbarschutz (BVerwGE 94, 151, 156).
Das BVerwG hat durch Urt. v. 29.3.2022 (4 C 6/20) entschieden, dass ein Feuerwehrgerätehaus zu den Anlagen für Verwaltungen gehöre und deshalb in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO seiner Art nach ausnahmsweise zulässig sei. „Anlagen für Verwaltungen” sei ein städtebaurechtlicher Sammelbegriff, der Anlagen und Einrichtungen umfasse, in denen oder von denen aus verwaltet werde, sofern das Verwalten einem erkennbaren selbstständigen Zweck diene. § 7 Abs. 2 Nr. 1 und § 8 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO, die zwischen Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäuden unterschieden, machten deutlich, dass Verwaltung i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO nicht auf die Erledigung von Verwaltungsaufgaben in Bürogebäuden beschränkt sei. Die ausnahmsweise Zulässigkeit von Anlagen für Verwaltungen nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO setze ausweislich des Wortlauts nicht voraus, dass die jeweilige Anlage der Gebietsversorgung diene. Ein Feuerwehrgerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr sei daher eine Anlage für Verwaltungen in diesem Sinne, nämlich für die Verwaltung des landesrechtlich geregelten Brandschutzes.
Hinweis:
Ein Feuerwehrgerätehaus, das nach Größe und Ausstattung maßgeblich auch dem effektiven Brandschutz in der näheren Umgebung diene, ist im allgemeinen Wohngebiet gebietsverträglich.