Seit einigen Jahren ist „Legal Tech”, d.h. die Bewältigung rechtlicher Aufgabenstellungen mit technischen (insb. computertechnischen) Mitteln, in aller Munde. Anders als die Vorgängerdisziplin, die „Rechtsinformatik”, ist Legal Tech kein Thema für wenige besonders interessierte Wissenschaftler im Elfenbeinturm, sondern stark von der Praxis getrieben. Immer weniger Mandanten sind bereit, an Anwaltskanzleien teure Honorare für Aufgaben zu bezahlen, die automatisiert oder zumindest mit Computerunterstützung wesentlich effizienter erledigt werden können: Die Sichtung großer Dokumenten- und Datenmengen im Rahmen einer Due Diligence-Prüfung, die Analyse einer großen Zahl von Verträgen, Gestaltung von Vertragsmustern, aber auch der Entwurf von Standardschreiben können mit Computerhilfe wesentlich kostengünstiger erledigt werden. Entsprechend wächst der Druck auf viele Kanzleien, passende Tools einzusetzen, um diese Leistungen so günstig wie technikaffinere Mitbewerber anbieten zu können.
Das führt in der Praxis zu zahlreichen Projekten, in denen Juristen und Informatiker zusammenarbeiten (müssen), um eine rechtliche Aufgabenstellung technisch umzusetzen. Die Erfahrung lehrt, dass hierbei große Kommunikationsschwierigkeiten entstehen können. Beide Disziplinen wissen oft voneinander nicht, wie sie „ticken”, und reden daher häufig aneinander vorbei. Zwischen beiden Disziplinen entstehen neue Berufsbilder wie „Legal Engineer” oder „Legal Designer”, die sich in beiden Welten zumindest grundlegend auskennen und aus der einen in die andere Welt „übersetzen” können sollten. Auf diese Rollen bereiten inzwischen sogar eigene Studiengänge (z.B. der LL.B. Legal Tech an der Universität Passau oder der LL.M. Legal Tech an der Universität Regensburg) vor.
Das hier vorgestellte Werk dient dem Brückenschlag zwischen den juristischen und den technischen Disziplinen und soll sowohl Juristen als auch „Technikern” das Verständnis der jeweils anderen Seite erleichtern. Es ist – dem Titel, Umfang und Preis entsprechend – nur eine „Orientierung”, eine erste Annäherung an beide Welten: Juristen sollen eine Vorstellung davon erhalten, wie die Informatik „tickt”, welche Fragen sie sich stellt und welche Aufgaben sie bewältigen kann. Umgekehrt sollen auch Vertreter der technischen Disziplinen erfahren, wie Juristen „ticken”, welche die Spezifika juristischen Denkens sind, und was die Gesetzesanwendung vom Ablaufen eines Algorithmus‘ unterscheidet.
Dementsprechend beginnt das Buch mit einer praxisnahen Einführung in Grundlagen der Datenverarbeitung für Juristen: Der Unterschied zwischen Daten, Informationen, Wissen und Code wird ebenso erläutert wie Grundlagen des Datenbankdesigns und des Programmierens bis zum Training einer einfachen „Künstlichen Intelligenz”. Anschaulich erläuterte Codebeispiele laden dazu ein, selbst erste Schritte zu programmieren und sich den technischen Herausforderungen praktisch zu stellen. Weiterführende Fragen verknüpfen diese technischen Aspekte mit rechtlichen Überlegungen, etwa zu Haftungsfragen des Einsatzes „Künstlicher Intelligenz” oder zu deren Rechtsfähigkeit und Würde.
Es schließt sich – gewissermaßen umgekehrt – eine Einführung für Techniker (Informatiker, Programmierer u.a.) in das rechtliche Denken an: Erläutert wird, was Recht überhaupt ist und wie Rechtsanwendung funktioniert. Die logischen Grundlagen der Subsumtion werden ebenso dargestellt wie durchaus diffizile Fragen der Methodenlehre, häufig anhand konkreter Beispiele aus der Rechtsprechung. Wie die technische Einführung im ersten Teil geht auch diese rechtliche Einführung direkt in medias res. Auch dieser Abschnitt endet mit weiterführenden Fragen dazu, wie IT fruchtbar gemacht werden kann, um rechtliche Aufgabenstellungen zu bewältigen – vom „Subsumtionsautomat” für einfache Rechtsfragen bis zum Einsatz von KI für juristische Chatbots.
Der dritte Abschnitt verbindet abschließend die beiden Perspektiven und gibt einen Überblick über das Schnittfeld zwischen IT und Rechtsanwendung. Dazu werden Schlaglichter auf aktuelle Fragestellungen geworfen: Automatisierte Willenserklärungen und Smart Contracts werden ebenso dargestellt wie die Blockchain (allerdings ohne elektronische Wertpapiere), das sog. Legal Tech-Inkasso mit Fragestellungen des RDG, sowie eine bunte Mischung weiterer Fragen zum Einsatz von Legal Tech im juristischen Bereich. Hinzu kommt ein Überblick über aktuelle Regulierungsvorhaben (AI-Act und Produkthaftung), die Anwendung der §§ 327 ff. BGB auf digitale Rechtsdienstleistungen und die Auswirkungen der technologischen „Aufrüstung” der Prozessanwaltschaft auf die Justiz, deren technische Möglichkeiten (noch) wesentlich begrenzter sind.
Ein abschließendes Fazit untersucht die Auswirkungen dieser technischen Entwicklungen im Rechtsbereich auf den Arbeitsmarkt und die Juristenausbildung der Zukunft. Jeder Abschnitt endet mit weiterführenden selektiven Literaturhinweisen, die eine gezielte Vertiefung für all diejenigen ermöglichen, die von dem ...