Wird eine Fahrtenbuchanordnung auf die mit einem standardisierten Messverfahren ermittelte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gestützt, muss das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung von Amts wegen nur überprüft werden, wenn der Adressat der Anordnung plausible Anhaltspunkte für einen Messfehler vorträgt oder sich solche Anhaltspunkte sonst ergeben. Er kann sich nicht mit Erfolg auf die Verweigerung des Zugangs zu bei der Bußgeldstelle gespeicherten Daten berufen, wenn er seinerseits nicht alles ihm Zumutbare unternommen hat, um den gewünschten Zugang von der Bußgeldstelle zu erhalten (BVerwG NJW 2023, 2658 = DAR 2023, 345 m. Anm. Niehaus = zfs 2023, 414; OVG Lüneburg zfs 2023, 359 = NZV 2023, 334 [Brandmair]).
Unmöglich i.S.d. § 31a Abs. 1 S. 1 StVZO ist die Feststellung des verantwortlichen Fahrers dann, wenn die Bußgeldbehörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Wenn der Fahrzeughalter bei der Ermittlung des Fahrzeugführers nicht mitwirkt, muss die Verfolgungsbehörde naheliegenden und mit wenig Aufwand durchführbaren Ansätzen zur Fahrerermittlung nachgehen. Unmöglichkeit liegt nicht schon dann vor, wenn die Behörde nur solchen Ermittlungsansätzen nachgegangen ist, die sicher zum Erfolg führen. Beruft sich der Fahrzeughalter darauf, dass ein Familienangehöriger das Fahrzeug geführt habe, ist es in aller Regel kein unzumutbarer Ansatz, zunächst durch eine Anfrage bei der Meldebehörde zu ermitteln, ob Familienangehörige unter derselben Adresse gemeldet sind (OVG NRW zfs 2023, 480 [Ls.]). Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, kann trotz zeitnaher Angaben des Halters zur Person des Fahrzeugführers ermessensgerecht sein, wenn dessen Verantwortlichkeit im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte und dieses daher eingestellt worden ist (OVG Saarland NJW 2023, 2796). Die Ausübung des Aussageverweigerungsrechts steht der Anwendbarkeit des § 31a StVZO auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, insb. mit Blick auf das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung nicht entgegen (OVG NRW NJW 2023, 2443).
Die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs ist i.d.R. von vornherein zu befristen. Im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen kommt eine erneute Verhängung oder Verlängerung der Pflicht, ein Fahrtenbuch zu führen, allein wegen der Verletzung einer der sich aus einer Fahrtenbuchanordnung ergebenden Pflichten grds. nicht in Betracht (VGH Baden-Württemberg NJW 2023, 2510).
Abschließende Hinweise:
Rechtsprechungsübersicht zum Verkehrsverwaltungsrecht im Jahr 2022 bei Kalus, DAR 2023, 241. Laut VG Ansbach (NJW 2023, 1596 = DAR 2023, 281 = NZV 2023, 317 m. Anm. Strauß) erfolgt keine datenschutzrechtliche Verwarnung nach Fotografieren von Falschparkern. Zum Anspruch auf Einschreiten der Straßenverkehrsbehörde gegen Gehwegparken OVG Bremen DAR 2023, 277 m. Bespr. Müller 254 = zfs 2023, 238 = NZV 2023, 381 [Rebler].
ZAP F. 9 R, S. 1057–1072
Von Dr. Axel Deutscher, Richter am Amtsgericht, Bochum