Anfang Oktober hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass einzelne im Bundeskriminalamtsgesetz geregelte Befugnisse der Behörde verfassungswidrig sind. So verstoßen die Vorgaben zur Datenerhebung (§ 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BKAG) und zur Datenspeicherung (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 BKAG) gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 i.V.m. Art. 1 GG. Zwar bleiben die Normen mit bestimmten Maßgaben durch das BVerfG vorläufig in Kraft; bis Mitte nächsten Jahres muss der Gesetzgeber allerdings eine verfassungsgemäße Neuregelung vorlegen (BVerfG, Urt. v. 1.10.2024 – 1 BvR 1160/19).
Mit dieser Entscheidung hat das BVerfG einer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) eingereichten Verfassungsbeschwerde gegen das BKAG teilweise stattgegeben. Die GFF kritisierte die Überwachungsbefugnisse des BKA gegenüber bloßen Kontaktpersonen von potenziellen Straftätern sowie auch die Befugnis des Amts zur Speicherung und Nutzung von Informationen im polizeilichen Informationsverbund INPOL, einer gemeinsamen föderalen Datenplattform der Polizeibehörden des Bundes und der Länder zum Austausch von Daten. Die Organisation vertrat mehrere Beschwerdeführer, die entsprechenden Ermittlungsmaßnahmen ausgesetzt waren, darunter auch Rechtsanwälte und Mitglieder der organisierten Fußball-Fanszene.
Das Gericht folgte der Verfassungsbeschwerde in den wesentlichen Punkten. Was die Überwachung von Kontaktpersonen mit besonderen Mitteln zum Zweck der Terrorismusabwehr gem. § 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BKAG angehe, sei die gesetzliche Vorgabe in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht zu vereinbaren mit den besonderen Anforderungen, die sich aus der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne an die Rechtfertigung heimlicher Überwachungsmaßnahmen der Polizei ergeben, führte der Senat aus. Die Vorschrift erlaube es, zur Abwehr von Terrorismus heimlich Personen zu überwachen, gegen die selbst kein Verdacht terroristischer Aktivitäten bestehe, die aber in einem Näheverhältnis zu einer verantwortlichen Person stünden. Damit werde in unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen eingegriffen, so das BVerfG. Denn es fehle bereits an einer konkretisierten Gefahr für ein hinreichend gewichtiges Rechtsgut. Heimliche Überwachung setze schon gegenüber der verantwortlichen Person eine solche Gefahr voraus. Sollten auch bloße Kontaktpersonen überwacht werden, bedürfe es zunächst einer „hinzutretenden spezifischen individuellen Nähe der Betroffenen zu der aufzuklärenden Gefahr”. Unabhängig davon sei Voraussetzung der Überwachung von Kontaktpersonen, dass jedenfalls eine Überwachung der verantwortlichen Person mit entsprechenden Mitteln zulässig wäre. Andernfalls fehlte es bereits an einer hinreichenden aufzuklärenden Gefahr.
Auch die Ausgestaltung der BKA-Befugnisse zur Speicherung personenbezogener Daten im polizeilichen Informationsverbund (§ 18 Abs. 1 BKAG) wurde vom Senat gerügt. Diese Norm erlaube zum Zweck künftiger Straftatenverhütung und -verfolgung Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung von erheblichem Gewicht, denn damit seien weitreichende Verwendungsmöglichkeiten der gespeicherten Daten durch eine Vielzahl von Behörden verbunden. Hier habe es der Gesetzgeber an der hinreichenden Normierung einer Speicherungsschwelle und den gebotenen Vorgaben zur Speicherdauer fehlen lassen. So genüge laut Vorschrift z.B. für die Speicherung allein die Beschuldigteneigenschaft; eine Negativprognose sei nicht vorgesehen. Der bloße Status des Beschuldigten sei jedoch mit Unsicherheiten verbunden und vermöge deshalb für sich allein keinen belastbaren Schluss auf die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer zukünftig zu verfolgenden oder zu verhütenden Straftat zu tragen.
Mit dieser Entscheidung rügt das Bundesverfassungsgericht zum wiederholten Mal zu weit formulierte Überwachungsbefugnisse des Bundeskriminalamts. Bereits 2016 hatte das Gericht mehrere Bestimmungen des BKAG für grundgesetzwidrig erklärt (vgl. Urt. v. 20.4.2016 – 1 BvR 966/09 u. 1’BvR 1140/09).
[Quelle: BVerfG]