a) Überblick
Ein Versäumnisurteil kann nach § 331 Abs. 3 ZPO auch im schriftlichen Vorverfahren ergehen. Hier differenziert die Rechtsprechung zum Teil.
b) Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren auf Antrag
Zeigt der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft entgegen § 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig an und ergeht daraufhin im schriftlichen Verfahren auf Antrag des Klägers, der bereits in der Klageschrift gestellt werden kann, nach § 331 Abs. 3 ZPO ein Versäumnisurteil, so wird hierdurch ebenfalls nur die 0,5-Terminsgebühr ausgelöst. Dies folgt aus Anm. Abs. 2 zu Nr. 3105 VV RVG.
Beispiel 5:
Der Kläger reicht eine Klage über 10.000 EUR ein und beantragt für den Fall, dass die Verteidigungsbereitschaft nicht angezeigt wird, den Erlass eines Versäumnisurteils. Der Beklagte zeigt die Verteidigungsbereitschaft nicht an, so dass Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren ergeht.
Es gilt Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3105 VV RVG. Die Terminsgebühr entsteht nur zu 0,5.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 EUR) |
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725,40 EUR |
2. |
0,5-Terminsgebühr, Nr. 3104, 3105 VV RVG (Wert: 10.000 EUR) |
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279,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.024,40 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
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194,64 EUR |
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Gesamt |
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1.219,04 EUR |
Das gleiche gilt auch dann, wenn das schriftliche Vorverfahren nach Widerspruch gegen einen Mahnbescheid angeordnet worden ist (§§ 697 Abs. 2 S. 2, 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO).
Beispiel 6:
Der Antragsgegner legt gegen den Mahnbescheid über 10.000 EUR Widerspruch ein. Nach Abgabe an das Landgericht und Eingang der Anspruchsbegründung setzt das Gericht dem Antragsgegner/Beklagten eine Frist zu Anzeige der Verteidigungsbereitschaft. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist ergeht auf Antrag des Klägers ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren.
Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel 5.
c) Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren ohne Antrag
Erlässt das Gericht ein Versäumnisurteil im schriftlichen Verfahren, obwohl dies nicht beantragt war, so entsteht gleichwohl die 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG. Zur BRAGO wurde zum Teil die Ansicht vertreten, im Klageantrag läge konkludent auch der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils (LG Köln AGS 2001, 224 = MDR 2001, 1018 = BRAGOreport 2001, 105). Andere Gerichte wiederum begründeten den Gebührenanfall damit, der Fehler des Gerichts könne nicht zu Lasten des Anwalts gehen (OLG Jena AGS 2006, 227 m. Anm. Schons = OLGR 2006, 280 = RVGreport 2006, 187). Nach dem RVG kommt es auf einen Antrag gar nicht mehr an. Ebenso wenig wie nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG für ein Anerkenntnisurteil ein Antrag des Anwalts erforderlich ist, setzt Anm. Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3105 VV RVG einen Antrag nicht voraus (OLG München OLGR 2007, 875 = JurBüro 2007, 589 = FamRZ 2008, 913 = RVGreport 2007, 425; LG Berlin RVGreport 2006, 105; OLG Jena AGS 2006, 227 m. Anm. Schons = OLGR 2006, 280 = RVGreport 2006, 187; KG AGS 2008, 541 = KGR 2008, 806 = RVGreport 2008, 307 = NJW-Spezial 2008, 732). Es kommt nur darauf an, dass das Versäumnisurteil erlassen wird: "eine Entscheidung gem. § 331 Abs. 3 ZPO ergeht" (unzutreffend daher OLG Oldenburg AGS 2008, 386 = MDR 2008, 887 = Rpfleger 2008, 538 = FamRZ 2008, 2144 = NJW-RR 2008, 1670 = OLGR 2009, 82 = RVGreport 2008, 263 = NJW-Spezial 2008, 475 = AnwBl 2008, 638).
Beispiel 7:
Der Anwalt reicht für den Kläger Klage ein und vergisst, den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils zu stellen. Das Gericht übersieht den fehlenden Antrag und erlässt routinemäßig nach Ablauf der Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft das Versäumnisurteil.
Es gilt wiederum Anm. Abs. 1 zu Nr. 3105 VV RVG. Die Terminsgebühr entsteht nur zu 0,5. Abzurechnen ist wie in Beispiel 5.