Der "Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe" (BT-Drucks. 18/9521) trägt einen sperrigen Titel, hinter dem sich nicht nur die Umsetzung der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie (mit der der Gesetzgeber seit Januar 2016 in Verzug ist) verbirgt, sondern eine umfangreiche Novelle der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO).

Eingebracht wurde der Gesetzentwurf am 5.9.2016. Am 22.9.2016 wurde er im Bundestag (1. Lesung) bzw. am 23.9.2016 im Bundesrat beraten (BR-Drucks. 431/16); das Gesetz soll noch in diesem Jahr den Bundestag passieren.

Ob das Gesetz so kommt wie vorgesehen oder – aufgrund der Empfehlungen des Bundesrats – mit Änderungen, ist derzeit offen. Es lohnt sich aber bereits jetzt, sich mit den möglichen Neuregelungen auseinanderzusetzen und die weitere Entwicklung zu verfolgen. Dabei geht es im Wesentlichen um folgende Punkte:

Kenntnisse im Berufsrecht: § 43e BRAO-E sieht vor, dass der Rechtsanwalt innerhalb des ersten Jahres nach seiner erstmaligen Zulassung an einer mindestens zehn Stunden umfassenden Lehrveranstaltung über das anwaltliche Berufsrecht teilgenommen haben muss. Zwar ist § 43e BRAO-E nicht als Zulassungsvoraussetzung ausgestaltet, aber es wird ein Signal gesetzt; besonders, da diese Kenntnisse schon während des Studiums oder des Referendariats erworben werden können. M.E. ist es zu begrüßen, dass solche Kenntnisse verlangt werden – die praktischen Arbeitserfahrungen in der Rechtsanwaltskammer (RAK) zeigen, dass berufsrechtliche Kenntnisse bei Rechtsanwälten oft nicht vorhanden sind. Der Bundesrat spricht sich in seiner Stellungnahme gegen dieses Vorhaben aus (BR-Drucks. 431/16, S. 1). Warum er allerdings meint, damit werde an dem "Einheitsjuristen" gerüttelt, ist kaum nachvollziehbar. Kenntnisse des Berufsrechts schaden im Übrigen auch Richtern und Staatsanwälten nicht.

Allgemeine Fortbildungspflicht: In § 59b Abs. 2 BRAO-E erhält die Satzungsversammlung die Ermächtigung, Regelungen hinsichtlich einer allgemeinen Fortbildungspflicht der Rechtsanwälte (§ 43a Abs. 6 BRAO) zu treffen. Damit soll auch bei der Anwaltschaft – wie schon insbesondere bei Medizinern – eine dauernde Pflicht zur Fortbildung geschaffen werden. Bisher war die Regelung des § 43a Abs. 6 BRAO ohne Wirkung. Die Ausgestaltung der allgemeinen Fortbildungspflicht ist m.E. sinnvoll – und zwar nicht nur für Fachanwälte (dort geregelt in § 15 FAO), sondern für jeden Kollegen. Der Nachweis dürfte wohl auch nicht schwerfallen: Der "Nicht-Fachanwalt" kann mit allen FAO-Veranstaltungen punkten, dazu kommen der Deutsche Juristentag oder der Deutsche Anwaltstag. Zu behaupten, man müsse sich nicht nachweisbar fortbilden, ist schwierig geworden und moderne Instrumente, wie die "Leistungskontrolle" bei Aufsätzen in Fachzeitschriften, zeigen, wie es geht. Die Anwaltschaft insgesamt täte sich einen Gefallen, wenn sie diese neue "Pflicht", die eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, akzeptiert.

"Weitere Kanzlei": In der Praxis vieler Rechtsanwälte ist sie schon angekommen, die "weitere Kanzlei". Rechtsanwälte arbeiten nicht mehr nur in einer Kanzlei, sondern sind in zwei oder mehr Kanzleien tätig. Dies ist keine Zweigstelle, sondern eine weitere Kanzlei. Hier wurde schon lange gefordert, dies auch berufsrechtlich umzusetzen (s. Huff ZAP F. 23, S. 885). Es ist daher zu begrüßen, dass die Möglichkeit zwei getrennter Kanzleien auch nach außen erkennbar umgesetzt wird und in den Registern keine Notlösung mehr veröffentlicht werden muss. Es gibt also in Zukunft die richtige Abgrenzung: Kanzlei, weitere Kanzlei, Zweigstelle.

Zulassungsdatum für Syndikusrechtsanwälte: § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO-E sieht vor, dass die Mitgliedschaft des Syndikusrechtsanwalts bei einer RAK bereits rückwirkend im Zeitpunkt des Eingangs des Zulassungsantrags oder des Tätigkeitsbeginn in der RAK begründet wird. Damit ist das Problem, das Syndikusrechtsanwälte seit dem 1.4.2016 haben (Pflichtmitgliedschaft erst bei bestandskräftiger Zulassung), obsolet. Auf diese Fälle passt die Regelung des § 6 Abs. 4 SGB VI mit der Drei-Monats-Frist nicht (vgl. Huff, Unternehmensjurist 2016, 82; ders., KammerForum 2016, 45 f.). Die Bundesregierung hat hier eine praxisnahe Lösung vorgesehen. Die Bedenken des Bundesrats (BR-Drucks. 431/16, S. 2 ff.) sind nicht nachvollziehbar, da der Vergleich mit dem "niedergelassenen Rechtsanwalt", der seine Zulassung zurückgegeben hat, nicht passt. Richtig ist der Vergleich mit dem Rechtsanwalt, der mit Zulassung die Kanzlei wechselt: Er bleibt Rechtsanwalt, Pflichtmitglied in der RAK und im Versorgungswerk. Die Regelung des § 6 Abs. 4 SGB VI greift zu seinen Gunsten.

Rügen der RAK verbunden mit Geldbußen: Einen neuen Weg geht der Entwurf völlig unerwartet bei Rügen durch die RAK. Bisher sah § 74 BRAO nur eine Rüge und eine Missbilligung vor; reichte dies nicht aus, musste das Verfahren an die Generalstaatsanwaltschaft abgegeben werden. Jetzt soll di...

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