Was Klagen gegen Hauptschuldner und Bürgen anbelangt, so kann an sich kein Zweifel daran bestehen, dass sie nicht gem. §§ 59, 60 ZPO als Streitgenossen verklagt werden können, auch wenn der Klageanspruch "gleichartig" – weil auf Zahlung von Geld gerichtet – ist. Streitgenossenschaft ist schon wegen der Einrede der Vorausklage des § 771 BGB nicht gegeben. Wird auf sie im Bürgschaftsvertrag verzichtet, wird dennoch Gerichtsbestimmung unter dem Gesichtspunkt der "Prozessökonomie" zugelassen (OLG Brandenburg, Beschl. v. 21.2.2007 – 1 AR 4/07). Sie rechtfertigt es allerdings nicht, sich über eine Gerichtsstandsvereinbarung hinweg zu setzen. Der Bürge, der mit dem Gläubiger eine solche Vereinbarung getroffen hat, kann nicht vor das Gericht des Hauptschuldners gezogen werden.

 

Hinweis:

Allerdings gilt insoweit eine Ausnahme: Ist auch mit dem Hauptschuldner ein Gerichtsstand vereinbart worden, dann kann dieser trotz abweichender Vereinbarung mit dem Bürgen als gemeinschaftlicher Gerichtsstand bestimmt werden (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.3.2006 – I-5 Sa 5/06).

 

Beispiel:

Auftraggeber und Bürge haben einen gemeinschaftlichen Gerichtsstand im Bezirk des Landgerichts A. Mit dem Auftraggeber, dessen Sitz sich im Bezirk des Landgerichts W befindet, ist § 18 Abs. 1 VOB/B vereinbart. Das Landgericht W wird bestimmt (OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.1.2012 – 11 AR 140/11).

Dem materiell-rechtlichen Vorrang der Haftung des Hauptschuldners entspricht verfahrensrechtlich der Vorrang seines Gerichtsstands. Er ist grundsätzlich gerechtfertigt, wenn der Schwerpunkt des beabsichtigten Rechtsstreits voraussichtlich die Hauptschuld sein wird. Das ist i.d.R. zu erwarten, wenn die Bürgschaft übernommen wurde, um Beschränkungen der Haftung des Hauptschuldners für seine Verbindlichkeit letztlich nicht greifen zu lassen. "Klassische" Fälle sind Bürgschaften von Gesellschaftern für die Erfüllung von Verbindlichkeiten einer GmbH, an der sie beteiligt sind, und zwar auch bei Gesellschaften in Gründung (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.8.2005 – I-5 Sa 70/05) und Umwandlung einer Einzelfirma in eine GmbH (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.3.2004 – I-5 Sa 10/04). Die Vermutung gilt ferner bei bürgenden Geschäftsführern einer GmbH (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.3.2004 – I-5 Sa 1/04, 10/04; v. 9.7.2004 – I-5 Sa 51/04), aber nicht, wenn sie aus der Gesellschaft ausgeschieden sind (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.3.2004 – I-5 Sa 2/04, im Anschluss an BayObGZ 1999, 75). In allen diesen Fällen wird stets der (allgemeine oder prorogierte) Gerichtsstand des Hauptschuldners auch auf den Bürgen erstreckt. Anders, wenn im Prozess gegen den Bürgen voraussichtlich die Wirksamkeit oder der Umfang seines Bürgschaftsversprechens im Vordergrund steht. Dann ist regelmäßig von der Bestimmung eines gemeinschaftlichen Gerichts abzusehen, weil dann nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein (gemeinschaftliches) Verfahren zu "Synergieeffekten" führt.

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