Seit etwa sieben Jahren gibt es einen speziellen Rechtsbehelf zur Rüge einer überlangen Verfahrensdauer vor dem Bundesverfassungsgericht, die Verzögerungsbeschwerde nach den §§ 97a ff. BVerfGG.
Eine Entschädigung nach den §§ 97a ff. BVerfGG setzt voraus, dass ein Verfahrensbeteiligter oder ein Beteiligter eines zur Herbeiführung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzten Verfahrens einen Nachteil erlitten hat. Eine Entschädigung kann allerdings nur zugesprochen werden, wenn die unangemessene Dauer des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht ursächlich für die geltend gemachten Nachteile ist. In Betracht kommen sowohl materielle wie immaterielle Nachteile; für den Ausgleich sind die Grundsätze der §§ 249 ff. BGB heranzuziehen, soweit keine spezialgesetzlichen Vorschriften bestehen (BT-Drucks 17/3802, S. 19). Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht unangemessen lange gedauert hat (§ 97a Abs. 2 S. 1 BVerfGG). Für einen solchen Nachteil kann Entschädigung jedoch nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise, insbesondere durch die in den Tenor der Entscheidung über die Verzögerungsbeschwerde aufzunehmende Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer, ausreichend ist, § 97a Abs. 2 S. 2 BVerfGG (BVerfG, Beschl. v. 20.8.2015 – Vz 11/14 Rn 33).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der verfassungsrechtlich garantierte Rechtsschutz nur dann i.S.v. Art. 19 Abs. 4 und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG wirksam, wenn er innerhalb angemessener Zeit gewährt wird (vgl. BVerfGE 55, 349, 369; 60, 253, 269; 93, 1, 13). Dem Grundgesetz lassen sich allerdings keine allgemein gültigen Zeitvorgaben dafür entnehmen, wann von einer überlangen, die effektive Rechtsgewährung verhindernden und damit unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist; dies ist vielmehr eine Frage der Abwägung im Einzelfall (vgl. BVerfGE 55, 349, 369). Bei dieser Abwägung müssen insbesondere die Natur des Verfahrens, die Bedeutung der Sache und die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten, die Schwierigkeit der Sachmaterie, das den Beteiligten zuzurechnende Verhalten, insbesondere von ihnen zu verantwortende Verfahrensverzögerungen, sowie die gerichtlich nur begrenzt zu beeinflussende Tätigkeit Dritter, vor allem der Sachverständigen, berücksichtigt werden. Dagegen kann sich der Staat nicht auf solche Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen. Ferner haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen.
In vergleichbarer Weise verpflichtet Art. 6 Abs. 1 EMRK nach der Rechtsprechung des EGMR die Konventionsstaaten dazu, ihr Gerichtswesen so einzurichten, dass die Rechtssachen innerhalb angemessener Frist entschieden werden können. Darüber, ob die Dauer eines Verfahrens angemessen ist, muss unter Berücksichtigung der Schwierigkeit des Falls, des Verhaltens des Beschwerdeführers und der zuständigen Behörden und Gerichte sowie der Bedeutung des Rechtsstreits für den Beschwerdeführer entschieden werden.
Diese für fachgerichtliche Verfahren entwickelten Regeln gelten dem Grundsatz nach auch für das Bundesverfassungsgericht, das nach Art. 92 GG Teil der rechtsprechenden Gewalt ist. Allerdings werden sie gem. § 97a Abs. 1 S. 2 BVerfGG durch die Aufgaben und die Stellung des Bundesverfassungsgerichts mit den daraus folgenden organisatorischen und verfahrensmäßigen Besonderheiten modifiziert. In organisatorischer Hinsicht ist beim Bundesverfassungsgericht, anders als bei den Fachgerichten, eine Kapazitätsausweitung zur Verkürzung der Verfahrensdauer als Reaktion auf gesteigerte Eingangszahlen grundsätzlich nicht möglich, da die Struktur des Gerichts durch seine Funktion bedingt und durch die Verfassung und das BVerfGG vorgegeben ist.
Verfahrensmäßige Besonderheiten ergeben sich weiter aus der Aufgabe der verbindlichen Auslegung der Verfassung (vgl. § 31 BVerfGG), die grundsätzlich in jedem verfassungsgerichtlichen Verfahren eine besonders tiefgehende und abwägende Prüfung erfordert. Diese setzt einer Verfahrensbeschleunigung ebenfalls Grenzen. Schließlich kann die Rolle des Bundesverfassungsgerichts es gebieten, bei der Bearbeitung der Verfahren in stärkerem Maße als in der Fachgerichtsbarkeit andere Umstände zu berücksichtigen als nur die chronologische Reihenfolge der Eintragung in das Gerichtsregister, wenn Verfahren für das Gemeinwesen von besonderer Bedeutung sind oder ihre Entscheidung von dem Ergebnis eines sog. Pilotverfahrens abhängig ist.
Den organisatorischen und verfahrensmäßigen Besonderheiten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens trägt die Vorschrift des § 97b Abs. 1 S. 4 BVerfGG Rechnung, nach der die Verzögerungsrüge frühestens zwölf Monate nach Eingang des Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht erhoben werden kann. De...