I. Einleitung

Das Erscheinungsbild von Innenstädten hat sich seit der Nutzbarkeit von sog. E-Scootern stark verändert. Möglich wurde das durch die VO über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (eKFV) vom 6.6.2019 (BGBl I, S. 756), in Kraft getreten am 15.6.2019 (zur Historie Huppertz NZV 2019, 387). Zugleich wurde die zuvor einschlägige MobHV aufgehoben. Die eKFV erfasst nicht nur, aber in erster Linie E-Scooter. In anderen Staaten (etwa den USA oder Frankreich) ist das Führen solcher Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr schon seit Längerem erlaubt. Wie dort hat sich auch hier in der kurzen Zeit der Geltung der eKFV eine Vielzahl von Problemen ergeben (zum "Wilden Westen auf deutschen Straßen" Grim Versicherungswirtschaft 9/2019, 86). Zu nennen sind hier das behindernde "wilde" Parken von E-Scootern auf Gehwegen, aber auch Unfälle mit Radfahrern und Fußgängern aufgrund von unvorsichtiger Fahrweise und unsachgemäßer Bedienung dieser Fahrzeuge sowie das Führen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss (dazu Ternig DAR 2019, 597). Aus diesem Grund wird das Thema "Elektrokleinstfahrzeuge" im Arbeitskreis V des Verkehrsgerichtstags in Goslar im Januar 2020 erörtert. Auch sollen Unfälle mit E-Scootern zukünftig gesondert in der Unfallstatistik des Statistischen Bundesamts erfasst werden ( https://www.spiegel.de/auto/aktuell/e-scooter-unfaelle-sollen-vom-statistischen-bundesamt-extra-erhoben-werden-a-1300174.html ).

Für diesen Befund sind mehrere Gründe maßgeblich: Zum einen erfordern diese Fahrzeuge keine Fahrerlaubnis und erwecken aufgrund ihres Erscheinungsbilds den Eindruck, leicht beherrschbar zu sein. Das verführt dazu, die Auswirkungen des elektrischen Antriebs zu verdrängen oder jedenfalls zu unterschätzen ("Ist doch bloß ein Roller"). Insbesondere bei winterlichen Straßenverhältnissen kann es leicht zu einer Fehleinschätzung der hieraus resultierenden Gefahren kommen. Auch die Anforderungen an die technische Ausstattung (§§ 4 ff. eKFV) weisen Lücken auf. So wird der Einbau eines Blinkers nicht verlangt. Das Fahrverhalten wird dadurch für andere Verkehrsteilnehmer weniger berechenbar, der Einsatz von Handzeichen verringert wiederum die Beherrschbarkeit des Fahrzeugs. Auch die verbotene (§ 10 eKFV) Nutzung von reinen Gehwegen stellt ein erhebliches Gefahrenpotenzial dar. Zum anderen wird das Fahren von E-Scootern nahezu ausschließlich mit Mietfahrzeugen betrieben. Das steigert häufig die Risikobereitschaft und mindert das Verantwortungsgefühl ("Ist ja nicht meiner", "Kann ich einfach irgendwo abstellen"), zumal die Anmietung und Abgabe der Fahrzeuge ausschließlich digital erfolgt und keiner unmittelbaren menschlichen Kontrolle unterliegt.

II. Was ist ein Elektrokleinstfahrzeug?

§ 1 eKFV enthält eine Legaldefinition derjenigen Elektrokleinstfahrzeuge (eKF), auf welche die VO Anwendung findet. Hiernach müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Kraftfahrzeuge (Kfz) mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit (bbH) von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h,
  • Fahrzeug ohne Sitz oder selbstbalancierendes Fahrzeug mit oder ohne Sitz,
  • eine Lenk- oder Haltestange von mindestens 500 mm für Kfz mit Sitz und von mindestens 700 mm für Kfz ohne Sitz,
  • eine Nenndauerleistung von nicht mehr als 500 Watt oder von nicht mehr als 1.400 Watt, wenn mindestens 60 % der Leistung zur Selbstbalancierung verwendet werden,
  • eine Gesamtbreite von nicht mehr als 700 mm, eine Gesamthöhe von nicht mehr als 1.400 mm und eine Gesamtlänge von nicht mehr als 2.000 mm und
  • eine maximale Fahrzeugmasse ohne Fahrer von nicht mehr als 55 kg.

Die Untergrenze der bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit (bbH) entspricht der Zulassungsregelung für nicht motorbetriebene oder mit einem Hilfsantrieb ausgerüstete Fahrzeuge in § 16 Abs. 2 StVZO, der Regelung für Pedelecs in § 1 Abs. 3 S. 2 StVG und ungefähr den Vorgaben der Rechtsprechung zur Schrittgeschwindigkeit (bis zu 7 km/h: OLG Brandenburg DAR 2005, 570; OLG Karlsruhe zfs 2018, 353; bis zu 10 km/h: OLG Naumburg zfs 2017, 654 = VRR 12/2017, 16 [Deutscher]). Die Obergrenze wurde mit Blick auf die Helmpflicht für schnellere Fahrzeuge in § 21a Abs. 2 S. 1 StVO gezogen (näher Ternig DAR 2019, 285). Erfasst von der Legaldefinition werden insb. E-Scooter, ebenso aber auch Segways (zum Segway als Kfz OLG Hamburg DAR 2017, 157 = NZV 2017, 193 [Kerkmann]). Nicht erfasst sind mangels Lenk- oder Haltestange hingegen Hoverboards oder elektrische Einräder (Heß/Figgener NJW-Spezial 2019, 585), ebenso wenig E-Fahrräder (§ 1 Abs. 3 StVG).

 

Hinweis:

Zur rechtlichen Bewertung von eKF, die nicht oder nicht mehr den Vorgaben des § 1 eKFV entsprechen, sowie zu älteren Modelle eingehend Huppertz NZV 2019, 560 ff.

III. Welche Anforderungen bestehen an das Inbetriebsetzen eines eKF?

Den rechtlichen Rahmen für das Inbetriebsetzen eines eKF auf öffentlichen Straßen schafft § 2 eKFV.

1. Betriebserlaubnis

Das eKF muss einem Typ entsprechen, für den eine Allgemeine Betriebserlaubnis erteilt worden ist, oder es muss eine Einzelbetriebserlaubnis erteilt worden sein (§§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 eKFV, 20, 21 StV...

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