Nach § 132 Abs. 1 S. 1 ZPO ist ein vorbereitender Schriftsatz, der neue Tatsachen oder ein anderes neues Vorbringen enthält, so rechtzeitig einzureichen, dass er mindestens eine Woche vor der mündlichen Verhandlung zugestellt werden kann.
Die Realität gestaltet sich regelmäßig aber anders. Kürzlich übersendete der Prozessbevollmächtigte des Gegners am Vortag der mündlichen Verhandlung einen Replik-Schriftsatz (ohne Anlagen) mit neuem Sachvortrag und neuen Beweisantritten. Eine Besprechung dieses Schriftsatzes mit der eigenen Partei war vor der Verhandlung nicht mehr möglich. Auch das Gericht hatte den Schriftsatz nach eigenen Angaben nicht mehr lesen können. Die Sach- und Rechtslage wurde daher nicht erörtert, es wurden lediglich die Anträge gestellt und die eigene Partei erhielt einen Schriftsatznachlass. Der Verhandlungstermin dauerte vier Minuten und war damit – inhaltlich betrachtet – "ergebnislos".
§ 282 Abs. 2 ZPO bestimmt für das erstinstanzliche Verfahren (ausgenommen sind Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes), dass Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen sind, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag. Das Merkmal "zeitig" wird durch die Vorgaben des § 132 Abs. 1 S. 1 ZPO "konkretisiert". Es geht darum, dem Gegner – nicht dem Gericht (BGH, Urt. v. 28.9.1988 – IVa ZR 88/87, NJW 1989, 716, 717) – die Gewährung rechtlichen Gehörs zu ermöglichen, so dass dieser in der mündlichen Verhandlung angemessen auf den Inhalt des neuen Schriftsatzes erwidern kann. Rechtliche Ausführungen sind unabhängig von § 132 Abs. 1 S. 1 ZPO jederzeit möglich.
Im eingangs geschilderten Sachverhalt war eine Erwiderung auf den neuen Vortrag infolge der Nichteinhaltung der Vorgaben des § 132 Abs. 1 S. 1 ZPO ausgeschlossen. Der voraussichtliche Ablauf der mündlichen Verhandlung war zum Zeitpunkt des Erhalts des "vorbereitenden" Schriftsatzes erkennbar: Außer den Antragstellungen und der Gewährung einer Schriftsatzfrist waren Weiterungen eher nicht zu erwarten. Unter ökonomischen Aspekten hätte man den Termin aufheben und eine Schriftsatzfrist gewähren können. Einer solchen Aufhebung dürfte aber (abgesehen von dem Aspekt der kurzfristigen praktischen Umsetzbarkeit) § 227 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ZPO entgegenstehen.
Gerichte reagieren erfahrungsgemäß auf solche "vorbereitenden" Schriftsätze mit der Gewährung einer Schriftsatzfrist für den Gegner. Es sei aber die Frage gestattet, ob es nicht auch andere Möglichkeiten gibt, um der "Unsitte" (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 132 Rn 4) solcher nicht fristgerecht übersendeten, "vorbereitenden" Schriftsätze entgegenzuwirken. Dass Termine im vorbeschriebenen Sinn beim Gericht, den im Termin erscheinenden Parteien und deren Prozessbevollmächtigten einen unverhältnismäßigen Zeit- und vor allem Kostenaufwand verursachen, ist eindeutig erkennbar.
Die bloße Nichteinhaltung der in § 132 Abs. 1 S. 1 ZPO gesetzten Frist genügt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung aber nicht, um Angriffs- und Verteidigungsmittel nach §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen (u.a. BGH, Beschl. v. 30.3.2006 – VII ZR 139/05, juris). § 132 Abs. 1 S. 1 ZPO berechtigt das Gericht auch nicht, einen im mündlichen Verhandlungstermin übergebenen Schriftsatz nicht entgegenzunehmen (LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 29.4.2008 – 6 T 121/08, juris).
Es sind aber Sachverhaltsgestaltungen denkbar, in denen die Parteien ihre Prozessförderungspflicht durch verspätete Mitteilungen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln verletzen, so dass u.a. der Gegner ohne vorherige Erkundigung keine Erklärung abgeben kann (vgl. LG Kassel, Urt. v. 10.10.2013 – 6 O 892/13, juris). Dies dürfte vor allem auf hierdurch verursachte Verzögerungen des Rechtsstreits zutreffen.
Zum Beispiel hatte in einem vom LG Kassel (a.a.O.) entschiedenen Sachverhalt das Gericht am 2.7.2013 einen Beweistermin für den 10.10.2013 anberaumt, in dem der klägerseits benannte Zeuge vernommen werden sollte. Am 4.10.2013 trug der Kläger schriftsätzlich neuen Sachvortrag vor und benannte diesbezüglich eine weitere Person als Zeugen. Der Termin am 10.10.2013 fand statt; der Kläger brachte die am 4.10.2013 benannte Person nicht als präsenten Zeugen mit. Den am 4.10.2013 unter Missachtung der Frist des § 132 ZPO erfolgten Vortrag wertete das Gericht als verspätet, da bei dessen Berücksichtigung ein weiterer Termin, in dem der weitere Zeuge hätte gehört werden müssen, hätte anberaumt werden müssen. Der Rechtsstreit wäre damit verzögert worden. Der Kläger habe bei seiner Benennung des Zeugen außerhalb der Wochenfrist auf "eigenes Risiko" gehandelt. Das LG Nürnberg-Fürth (Urt. v. 11.11.2013 – 6 O 2137/13, juris) entschied in einem ähnlich gelagerten Sachverhalt ebenso. Auch das OLG Celle (Urt. v. 7.2.2002 – 11 U 117/01, juris) hat einen zwei Tage vor ...