Ähnlich wie schon beim ersten Lockdown im Frühjahr (vgl. Anwaltsmagazin ZAP 9/2020, S. 436) hat auch der im Dezember eingeleitete zweite harte Lockdown mit seinen Einschränkungen im privaten und geschäftlichen Bereich die Vertreter der deutschen Anwaltschaft alarmiert. Auch diesmal mahnten BRAK und DAV wieder die Systemrelevanz der Berufsgruppe an und forderten, dass der Zugang der Bürger zu den Anwaltskanzleien nicht beschränkt werden dürfe.
In einigen Regionen mit Ausgangsbeschränkungen dürften die Menschen ihre Wohnungen nur in dringenden Fällen verlassen. Ein Termin mit der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt sei und bleibe aber immer ein dringender Fall. Der Weg zum Anwalt müsse auf jeden Fall erlaubt bleiben und Behörden dürften auch bei einer Kontrolle nicht nach dem Grund für das Aufsuchen der Anwaltskanzlei fragen, mahnte etwa der Deutsche Anwaltverein (DAV) im Dezember. Im Blick hatte er dabei insb. die Verjährungsfristen, die zum Jahresende 2020 abzulaufen drohten. Aber auch in anderen Angelegenheiten müsse man immer davon ausgehen, dass ein Rechtsproblem dringend sei, warnte DAV-Hauptgeschäftsführerin Dr. Sylvia Ruge: "Ob es sich um einen unaufschiebbaren Termin handelt oder nicht, wird für den Rechtssuchenden selbst häufig erst aufgrund der anwaltlichen Beratung erkennbar werden." Es sei z.B. kein Allgemeinwissen, dass für die Ausschlagung einer Erbschaft eine sechswöchige Frist bestehe oder dass man ggf. ein Nachlassinventar errichten müsse. Gleiches gelte für die Fristen im Zusammenhang mit einer Kündigungsschutzklage oder bei der unverzüglichen Anfechtung einer Willenserklärung.
Der Zugang zu anwaltlichem Rat und zur Vertretung sei zudem wichtig, weil Bürger die Rechtsantragsstellen bei den Gerichten vielfach nicht mehr persönlich aufsuchen könnten. In solchen Fällen seien Eilverfahren notwendig, für die eine eidesstattliche Versicherung eingereicht werden müsse. Die meisten Betroffenen seien damit überfordert.
In keinem Fall dürften Behörden nach dem Grund fragen, warum ein Bürger persönlich eine Anwältin oder einen Anwalt aufsuchen wolle, forderte der DAV. Wer etwa darüber nachdenke, sich wegen eines Steuerdelikts selbst anzuzeigen, dürfe nicht gezwungen werden, dies ausgerechnet der Polizei gegenüber offenzulegen. Auch verböten sich Anrufe in den Kanzleien mit der Frage, ob bereits ein Termin vereinbart worden sei. Denn die anwaltliche Verschwiegenheit beziehe sich auch auf die Frage, zu wem ein Mandat bestehe.
Schließlich müsse die Politik – mit Blick auf den Zugang der Bürger zum Recht – auch die Systemrelevanz der Anwaltschaft beachten. Dafür müsste gerade in Pandemiezeiten z.B. die Kinderbetreuung während der Schul- und Kitaschließungen sichergestellt sein.
[Quelle: DAV]