Der Luftfrachtführer hat das Gut zum benannten Bestimmungsort zu transportieren und dort an den genannten Empfänger abzuliefern.
1. Die Luftbeförderung
Aus juristischer Sicht besonders interessant ist die Frage der Reichweite des MÜ: Wo fängt die Haftung des Luftfrachtführers an, wo endet sie?
Beispielsfall 1:
Der reine Luftfrachttransport von Flughafen zu Flughafen. Solch ein Transport fällt nach allgemeiner Meinung in jeden Fall in den Anwendungsbereich des MÜ. Einzige Voraussetzung ist, dass Abgangs- und Zielflughafen zwei Unterzeichnerstaaten des MÜ sind.
Beispielsfall 2:
Das Gut wird im Anschluss an einen Luftfrachttransport in einem Lager auf dem Flughafengelände zwischengelagert. Solch eine Lagerung fällt in den Anwendungsbereich des MÜ (BGH, Urt. v. 2.4.2009 – I ZR 61/06 zum WA1955, TranspR 2009, 317; LG Hamburg, Urt. v. 23.1.2020 – 407 HKO 23/19 zum MÜ, ZAP 2020, 341).
Beispielsfall 4:
Das Gut wird beim Absender abgeholt, zum verkehrstechnisch und/oder logistisch sinnvollen Flughafen befördert und von dort per Luftfrachttransport ins Zielland befördert. Im Zielland schließt sich dann eine Zustellung beim Empfänger an (sog. Haus-zu-Haus-Transporte). Auch solche Transporte unterfallen dem MÜ (OLG Köln, Urt. v. 6.3.2007 – 3 U 122/06; OLG Frankfurt, Urt. v. 19.12.2007 – 13 U 136/06).
2. Hintergrund
Das MÜ ist auch auf einen gemischten Beförderungsvertrag anzuwenden, wenn die Oberflächenbeförderung zum Zweck der Verladung, der Ablieferung oder der Umladung erfolgt (sog. Annextransporte). Voraussetzung hierfür ist ein einheitlicher (Luft)beförderungsvertrag.
Hiermit einher geht eine gesetzliche Vermutungswirkung. Kann der Schadensort nicht aufgeklärt werden, gilt der Schaden als während der Luftbeförderung entstanden.
Will der Anspruchssteller dem Anwendungsbereich des MÜ entkommen, muss er den Schadenseintritt während der Oberflächenbeförderung darlegen und beweisen (BGH, Urt. v. 10.5.2012 – I ZR 109/11, NZV 2013, 243; OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.5.2009 – 15 U 257/06). Eine Einlassungsobliegenheit des Luftfrachtführers existiert nicht (LG Frankenthal, Urt. v. 21.12.2007 – 1 HKO 39/07, ZLW Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht 2013, 152ff).
Die Vermutungsregel des Art. 18 Abs. 4 S. 2 MÜ gilt sowohl zulasten als auch zugunsten des Luftfrachtführers (BGH, Urt. v. 24.2.2011 – I ZR 91/10, ZLW Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht 2013, 128ff).