In seinem umfangreich begründeten Urt. v. 24.6.2021 (1 C 30.20, BVerwGE 173, 37 ff.) beschäftigt sich das BVerwG erstmals mit den durch das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht mit Wirkung zum 29.7.2017 (BGBl I, S. 2780) eingeführten Voraussetzungen für die Feststellung einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung nach § 85a AufenthG i.V.m. § 1597a BGB.
Nach § 85a Abs. 1 AufenthG hat die Ausländerbehörde die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer – noch nicht wirksam gewordenen – Anerkennung einer Vaterschaft zu treffen, wenn diese i.S.d. § 1597a Abs. 1 BGB „missbräuchlich” ist. Diese Feststellung hindert durch das Beurkundungsverbot des § 1597a Abs. 3 BGB das Entstehen einer zivilrechtlich wirksamen Vaterschaftsanerkennung. Mit dem in diesen Vorschriften grds. zweistufig ausgestalteten Verfahren verfolgt das Gesetz nunmehr einen präventiven Ansatz zur Verhinderung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen, nachdem das BVerfG durch Beschl. v. 17.12.2013 (1 BvL 6/10, BVerfGE 135, 48 ff.) die in § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB a.F. geregelte behördliche Vaterschaftsanfechtung für verfassungswidrig und nichtig erklärt hatte. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der gegenwärtigen gesetzlichen Ausgestaltung hat das BVerwG weder unter dem Blickwinkel der aus der Verweisung auf die Legaldefinition des § 1597a BGB folgenden Auslegungsbedürftigkeit des § 85a AufenthG noch aus dem Umstand, dass im entschiedenen Einzelfall die Vaterschaftsanerkennung durch die vor dem Inkrafttreten dieser Vorschriften abgegebene Erklärung des dortigen Klägers bereits ins Werk gesetzt worden war und daher ein Fall der unechten Rückwirkung (auch als „tatbestandliche Rückanknüpfung” bezeichnet) vorlag.
In materiell-rechtlicher Hinsicht arbeitet das BVerwG in Bezug auf die auslegungsbedürftige und auslegungsfähige Legaldefinition der „missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft” in § 1597a Abs. 1 BGB zwei aus seiner Sicht eindeutige Konstellationen heraus: Eine Vaterschaftsanerkennung sei jedenfalls dann missbräuchlich, wenn weder eine persönliche Beziehung mit dem Kind oder dessen Mutter angestrebt werde noch die Bereitschaft bestehe, ohne persönlichen Kontakt mögliche Rechte oder Pflichten, die mit der rechtlichen Elternschaft verbunden seien, wahrzunehmen. Demgegenüber liege eine i.S.d. § 1597a Abs. 1 BGB missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung jedenfalls dann nicht vor, wenn sie auch der Begründung, Fortsetzung oder Vertiefung einer Eltern-Kind-Beziehung und i.d.S. nicht gerade gezielt aufenthaltsrechtlichen Zwecken diene. Der Anerkennende müsse die aus der Vaterschaftsanerkennung resultierende elterliche Verantwortung demnach tatsächlich wahrnehmen („leben”) wollen. Das dabei konkret zu fordernde Maß der tatsächlichen Wahrnehmung habe die Vielfalt grundrechtlich geschützter Möglichkeiten zu berücksichtigen, Eltern-Kind-Beziehungen autonom und weitestgehend frei von staatlichen Vorgaben auszugestalten. Namentlich müssten nicht alle in der elterlichen Sorge gebündelten Rechte und Pflichten durch den Anerkennenden in eigener Person oder gar in optimaler Weise wahrgenommen werden wollen. Erforderlich, aber hinreichend sei eine – angestrebte oder bereits wahrgenommene – tatsächliche Betätigung in Bezug auf einzelne Elemente der elterlichen Verantwortung wie z.B. die Gewährung von Sach- oder Barunterhalt.
Für die Feststellung des mit der Anerkennung verfolgten Zwecks bedürfe es einer umfassenden Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls durch die darlegungs- und beweisbelastete Ausländerbehörde. Die Regelvermutungstatbestände des § 85a Abs. 2 S. 1 AufenthG enthielten indes eine Beweiserleichterung für die Ausländerbehörde, weil diese bei Vorliegen von einem oder mehreren Regelvermutungstatbeständen grds. von einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung ausgehen dürfe, wenn nicht Umstände erkennbar oder vorgetragen seien, welche die Vermutungswirkung entkräfteten oder gar widerlegten. Umgekehrt schließe das Nichtvorliegen von Regelvermutungstatbeständen eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls dahin nicht zwingend aus, wenn anderweitige konkrete Anhaltspunkte nach Gewicht und Aussagekraft den Schluss rechtfertigten, dass eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung vorliege. In diese Gesamtwürdigung könnten auch die in § 1597a Abs. 2 S. 2 BGB genannten Verdachtstatbestände herangezogen werden, die aber nicht geeignet seien, die in § 85a Abs. 2 S. 1 AufenthG abschließend aufgezählten Regelvermutungstatbestände zu erweitern.
Der Vermutungstatbestand des § 85a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder 2 AufenthG sei nur dann erfüllt, wenn die Erklärung, die Anerkennung diene „gezielt gerade einem Zweck” i.S.v. § 1597a Abs. 1 BGB, auch unter Berücksichtigung des Zusammenhanges, in dem sie abgegeben worden sei, insoweit klar, eindeutig und unmissverständlich sei. In Bezug auf den Regelvermutungstatbestand des § 85a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AufenthG folge aus einer systematischen Auslegung aus § 1597a Abs. 5 BGB, nach dem die Ane...