Die aktuell vierte Welle der Coronapandemie im Winter 2021 trifft mit ihren hohen Infektionszahlen auf eine bedauerliche Impfmüdigkeit bzw. -verweigerung. Arbeitnehmer halten sich – aus Nachlässigkeit, Überzeugung oder ggf. auch aus Dummheit – oftmals nicht an die geforderten Schutzmaßnahmen. Entsprechend stellt sich für Arbeitgeber die Frage, wie sie hierauf reagieren können/müssen und ob sie ein entsprechendes Verhalten des Arbeitnehmers arbeitsrechtlich sanktionieren können.
Aufgrund der den Arbeitnehmer treffenden Rücksichtnahmepflichten ist er nach § 241 Abs. 2 BGB gehalten, Unfallverhütungs- und Arbeitssicherheitsvorschriften im Betrieb zu beachten. Konkretisiert wird die privatrechtliche Rücksichtnahmepflicht durch öffentlich-rechtliche Regelungen zum Arbeitsschutz (Kleinebrink, NZA 2020, 1361, 1362). Die Grundlage für den Arbeitsschutz bilden das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) sowie die darauf basierenden Rechtsvorschriften. Sie sind wesentlich vom Recht der Europäischen Union geprägt. Staatliche Behörden (i.d.R. Landesbehörden; im Bund die Zentralstelle für Arbeitsschutz beim Bundesministerium des Innern) beraten und überwachen die Einhaltung dieser Rechtsvorschriften. Die Unfallverhütung beruht in der Praxis auf eigenständigen Unfallverhütungsvorschriften, die von den Unfallversicherungsträgern erlassen werden. Dazu gehören die Berufsgenossenschaften, die Unfallversicherung Bund und Bahn (UVB) sowie die Unfallkassen der Länder. Sie beraten und überwachen gleichzeitig die Einhaltung dieser Vorschriften. Die Regelungen für die Unfallverhütung im gesamten Bundesdienst erlässt das BMI durch allgemeine Verwaltungsvorschriften (vgl. https://www.bmi.bund.de ). Nach § 15 Abs. 1 ArbSchG sind die Beschäftigten verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen. Entsprechend haben die Beschäftigten auch für die Sicherheit und Gesundheit der Personen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind.
Welche Pflichten den Arbeitnehmer aufgrund des § 15 Abs. 1 ArbSchG treffen, folgt aus dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung. Nach § 5 Abs. 1 ArbSchG hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Bei der entsprechenden Beurteilung hat der Arbeitgeber vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Pandemie insb. den SARS-CoV-Arbeitsschutzstandard (C-ASS), Stand 22.2.2021 und die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel (C-ASR) zu berücksichtigen, um Arbeitnehmer vor einer Ansteckung durch erkrankte Beschäftigte hinreichend zu schützen. Gemeinsam ist allen Rechtsgrundlagen die Verpflichtung des Arbeitgebers, dafür zu sorgen, dass jeder Arbeitnehmer bestimmte vorbeugende Maßnahmen beachtet. Hierzu zählen insb. das grundsätzliche Einhalten bestimmter Abstände zwischen einzelnen Personen (mind. 1,5 m), eine Handhygiene sowie unter bestimmten Voraussetzungen das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung. Eingebürgert hat sich hierfür das Kürzel A-H-A für Abstand halten – Hygiene beachten – Alltagsmaske tragen. Das Ergebnis dieser Gefährdungsbeurteilung – und damit auch die A-H-A-Vorgaben – sind innerbetrieblich umzusetzen. Die entsprechenden Weisungen kann der Arbeitgeber nach § 106 S. 2 GewO erteilen. Jeder Arbeitnehmer ist nach § 15 Abs. 1 ArbSchG verpflichtet, diese Weisungen zu befolgen. Empfehlenswert ist, über Aushänge oder über das Aushändigen entsprechender Handzettel die Arbeitnehmer beweisbar über die bestehenden Pflichten zu informieren (Kleinebrink, NZA 2020, 1361, 1362).
Der Arbeitgeber hat nach § 618 Abs. 1 BGB Räume, Vorrichtungen und Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten, und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind, wie die Natur der Arbeitsleistung dies gestattet. Dies beinhaltet insb. auch den Schutz vor einer Ansteckung durch erkrankte Arbeitnehmer (Kleinebrink, NZA 2020, 1361, 1363; HWK/Krause, § 618 BGB, Rn 22).
Bei einer Außerachtlassung von elementaren Sicherheitsvorschriften, die zu erheblichen Gesundheitsrisiken führen kann, handelt es sich regelmäßig um eine erhebliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, die an sich geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 14.8.2007 – 5 Sa 150/07, NZA-RR 2007, 634). Einer vorherigen Abmahnung bedarf es ausnahmsweise dann nicht, wenn der Arbeitnehmer im Einzelfall aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung von vornherein nicht damit rechnen kann, dass der Arbeitgeber dies Verhalten (noch) toleriert. Dies ist insb. dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit kennt, seine Pflichtverletzung aber gleichwohl hartnäc...