Eine Anwälten erteilte Prozessvollmacht ist nach den Verfahrensordnungen schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen; sie kann nachgereicht werden, wofür das Gericht eine Frist bestimmen kann (s. § 80 ZPO, § 73 Abs. 6 S. 1 SGG, § 67 Abs. 6 S. 1 VwGO, § 62 Abs. 6 S. 1 u. 2 FGO). Eine Rüge des Mangels der Vollmacht – d.h., wenn nicht in gehöriger Form nachgewiesen wird, dass die Prozessvollmacht wirksam erteilt und nicht erloschen ist – kann von den Beteiligten in jeder Lage des Rechtsstreits erhoben werden (§ 88 Abs. 1 ZPO, § 73 Abs. 6 S. 4 SGG, § 67 Abs. 6 S. 3 VwGO, § 62 Abs. 6 S. 4 FGO).
Hinweis:
Das arbeitsrechtliche Erkenntnisverfahren ist grundsätzlich ein zivilprozessrechtliches Verfahren. Es gelten demnach auch hier die allgemeinen Vorschriften der ZPO (§§ 1–252), soweit die arbeitsgerichtlichen Sondernormen keine Abweichungen enthalten. Da die Vorschrift zur Prozessvertretung in § 11 ArbGG keine von §§ 80, 88 ZPO abweichenden Bestimmungen enthält, gelten diese Regelungen entsprechend (s. Helml in: Helml/Pessinger, ArbGG, § 46 Rn 4 u. § 11 Rn 1).
Treten Rechtsanwälte als Bevollmächtigte auf, so sind die Gerichte demnach nicht generell befugt, den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, sondern unter Beachtung des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG – Gebot effektiven Rechtsschutzes – nur dann, wenn die Art und Weise der Prozessführung bzw. sonstige besondere Umstände dazu berechtigten Anlass geben.
a) (Keine) ernstlichen Zweifel am Fortbestand einer Bevollmächtigung
Im Verfahren (BSG, Beschl. v. 11.11.2021 – B 14 AS 273/21 B) hatte das BSG über eine Nichtzulassungsbeschwerde zu befinden. Dieser lag als Sachverhalt zugrunde, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zunächst im Jahr 2017 geführten Klageverfahren eine Vollmacht vom 23.1.2017 vorgelegt hatte. Später forderte zunächst das SG, sodann zuletzt im Berufungsverfahren durch Verfügung vom 1.10.2020 das LSG erneut zur Vorlage einer aktuellen Vollmacht auf, da es aufgrund von Erfahrungen in anderen Verfahren Zweifel daran habe, der Bevollmächtigte sei noch aktuell zur Verfahrensführung ermächtigt. Nachdem eine weitere Vollmacht nicht vorgelegt wurde, hat das LSG die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil als unzulässig verworfen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin war i.S.d. Aufhebung des Urteils des LSG unter Zurückweisung der Sache begründet (§ 160a Abs. 5 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG). Der von der Klägerin geltend gemachte (zu den Anforderungen des BSG insoweit s. etwa Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 160a Rn 16 ff.) Verfahrensmangel i.S.d. zuletzt genannten Vorschrift liege vor (Verstoß gegen § 73 Abs. 6 S. 1 SGG).
Das BSG führt aus, ernstliche Zweifel an einer Bevollmächtigung bestehen, wenn in einer Gesamtwürdigung aller Umstände konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Person nicht oder nicht mehr bevollmächtigt ist. Solche Anhaltspunkte können sich zwar auch aus dem Verhalten des auftretenden Bevollmächtigten in früheren Verfahren ergeben. Abzustellen sei gleichwohl die Berücksichtigung der Umstände im konkreten Einzelfall. Es mangelte jedoch vorliegend an rechtserheblichen Anhaltspunkten bezogen auf das Berufungsverfahren.
b) Unzulässige Verwerfung eines Rechtsmittels trotz Nichtvorlage einer Vollmacht
Eine weitere Entscheidung hinsichtlich der gerichtlichen Überprüfung der Vollmacht eines Anwalts liegt mit dem Beschluss des BVerfG v. 18.2.2022 – 1 BvR 305/21 (NJW 2022, 1441) vor, durch den der Verfassungsbeschwerde gegen die Verwerfung eines Antrags auf Zulassung der Berufung in einem Verwaltungsrechtsstreit stattgegeben wurde.
Nachdem der Beschwerdeführer vorliegend mit Schriftsatz seines bevollmächtigten Anwalts die Zulassung der Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil des VG beantragt hatte, setzte das zuständige OVG mit Verfügung v. 20.11.2020, die dem Bevollmächtigten am gleichen Tag zuging, eine Frist zur Vorlage der Prozessvollmacht im Original bis zum 27.11.2020. Das Gericht erinnerte an die Erledigung dieser Verfügung mit Schreiben vom 1.12.2020. Telefonisch und erneut schriftlich am 2.12.2020 beantragte der Bevollmächtigte Fristverlängerung zur Vorlage der Vollmacht. Mit Beschluss v. 3.12.2020 verwarf das OVG den Antrag des Beschwerdeführers. Der Antrag sei unzulässig, weil der hier auftretende Anwalt nicht (nachgewiesenermaßen) bevollmächtigt sei.
Der angefochtene Beschluss verstößt gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Auch wenn wie hier ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter auftritt und wegen eines Mangels der Vollmacht eine generelle Überprüfung von Amts wegen ausscheidet, kommt nach der Rspr. des BVerwG eine solche Prüfung dann in Betracht, wenn die Art und Weise der Prozessführung bzw. sonstige besondere Umstände dem Gericht dazu berechtigten Anlass geben. Dies wurde etwa bejaht, wenn der auftretende Anwalt trotz gerichtlicher Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nur versäumt, die Vollmacht nachzureichen, sondern zudem den angeblich vertretenen Kläger nicht ordnungsgemäß bezeichnet (BVerwG, Urt. v. 27.6. 2011 – 8 A 1/10). Allein durch die Nichtvorlage nach Aufforderung wird hingegen, so das BVerfG, das dem Rechts...