Bei einer lebzeitigen Übertragung i.R.d. vorweggenommenen Erbfolge sollte der Übertragende eine Regelung treffen, ob die Übertragung im späteren Erbfall auf den Pflichtteil anzurechnen bzw. unter mehreren Miterben auszugleichen ist.
1. Anrechnung auf den Pflichtteil
Gemäß § 2315 Abs. 1 BGB hat sich der Pflichtteilsberechtigte auf den Pflichtteil anrechnen zu lassen, was ihm von dem Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet worden ist, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll. Die Anrechnungsbestimmung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die der Erblasser spätestens bei der Zuwendung getroffen haben muss (RGZ 67, 306, 307). Sofern das zugrunde liegende Kausalgeschäft nicht formbedürftig ist, bedarf die Erklärung keiner Form und kann mündlich oder auch stillschweigend erfolgen (Grüneberg/Weidlich, § 2315 BGB, Rn 2). Die bloße Anordnung in einer Verfügung von Todes wegen sowie eine nachträgliche Anrechnungsbestimmung genügen nicht. Letzteres kann in Ausnahmen möglich sein, sofern sich der Erblasser bei der Übertragung die Anrechnung vorbehalten hat (Grüneberg/Weidlich, § 2315 BGB, Rn 2). Wurde sich die Anrechnung nicht vorbehalten, verbleibt die Möglichkeit, nachträglich einen Pflichtteilsverzicht zu vereinbaren. Zur Berechnung gem. § 2315 Abs. 2 BGB folgendes:
Fallbeispiel:
Die Erblasserin E hinterlässt drei Kinder A, B und C. Der Nachlasswert beträgt 400.000 EUR. A muss sich aus einer lebzeitigen Übertragung eines Grundstücks 150.000 EUR und B 120.000 EUR anrechnen lassen. Erbe ist der Lebensgefährte L. Wie hoch ist der jeweilige Pflichtteil?
- Pflichtteil A: (400.000 EUR + 150.000 EUR): 6 – 150.000 EUR = 0 EUR
- Pflichtteil B: (400.000 EUR + 120.000 EUR): 6 – 120.000 EUR = 0 EUR
- Pflichtteil C: 400.000 EUR: 6 = 66.666,67 EUR
Hinweis:
Lässt sich der Beschenkte nachträglich auf einen Pflichtteilsverzicht nicht ein, verbleibt dem Übertragenden noch die Flucht in die Pflichtteilsergänzung. Danach kann der Erblasser seinem künftigen Erben zu Lebzeiten Vermögen übertragen. Diese Übertragung unterliegt der späteren Pflichtteilsergänzung, wobei sich der Anspruchsberechtigte auf dessen Pflichtteilsergänzungsanspruch Eigengeschenke gem. § 2327 BGB anrechnen lassen muss (Kappler/Kappler, a.a.O., S. 245 Rn 724 m.w.N.).
2. Ausgleichung
Gemäß § 2050 Abs. 1 BGB sind Abkömmlinge, die als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen, verpflichtet, dasjenige, was sie vom Erblasser bei dessen Lebzeiten als Ausstattung erhalten haben, bei der Erbauseinandersetzung untereinander zur Ausgleichung zu bringen, soweit nicht der Erblasser bei der Zuwendung ein anderes angeordnet hat. Bei der gewillkürten Erbfolge ist § 2052 BGB zu beachten. Bei den Ausgleichsregeln vermutet das Gesetz den Willen des Erblassers, Abkömmlinge nach dem Grundsatz der Stammeserbfolge an seiner gesamten wirtschaftlichen Lebensleistung gleichmäßig teilhaben zu lassen (Damrau/Tanck/Riedel, a.a.O., § 2050 BGB, Rn 1). Sonstige Zuwendungen, die nicht eine Ausstattung darstellen, unterliegen gem. § 2050 Abs. 3 BGB der Ausgleichung, wenn der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichung angeordnet hat. Die Durchführung der Ausgleichung richtet sich nach § 2055 BGB und ist i.d.R. im Hinblick auf die Pflichtteilsreduzierung wesentlich schwächer als die Anrechnung nach § 2315 Abs. 1 BGB. Gleichzeitig erhöhen sich ohne Abänderungsmöglichkeit die Pflichtteilsansprüche der anderen Abkömmlinge bei einer Ausstattung (§ 2316 Abs. 3 BGB). Daher empfiehlt es sich, einen Ausgleich im Erbfall auszuschließen und die Anrechnung der Zuwendung auf den Pflichtteil zu erklären. Schließlich kann der Übertragende auch eine Kombination von Ausgleich und Anrechnung unter Beachtung von § 2316 Abs. 4 BGB wählen.