Zusammenfassung
Hinweis:
Der Beitrag umfasst zwei Teile: Dieser zweite Teil stellt die Absicherung von Ehegatten und weichenden Geschwistern sowie das Pflichtteilsrecht und das Schenkungsteuerrecht dar. Der erste Teil (erschienen in ZAP Heft 18/2022, F. 12, S. 429 f.) befasste sich mit dem Schenkungsbegriff und der Absicherung des Schenkenden sowie mit den vertraglichen und gesetzlichen Rückforderungsrechten. Der Beitrag vermittelt hilfreiche Hinweise und Praxistipps für die anwaltliche Beratung zur Vermögensnachfolge i.R.d. vorweggenommenen Erbfolge.
V. Absicherung des Ehegatten
Im Rahmen der vorgenommenen Erbfolge besteht i.d.R. das Bedürfnis, dass der jeweils andere Ehegatte bei einem lebzeitigen Übertragungsvertrag bis zu seinem Lebensende finanziell abgesichert wird. Eine solche Absicherung ist insb. erforderlich, wenn der andere Ehegatte Allleineigentümer eines Grundstücks ist oder über das wesentliche Vermögen verfügt. Wird beispielweise ein Grundstück, wo der Ehemann als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen ist, an die eigenen Kindern übertragen und behält sich der Ehemann ein Nießbrauchrecht vor, wird die eigene Ehefrau hiervon nicht erfasst. Selbst im Fall des Vorversterbens des Ehemanns wird die Ehefrau nicht berücksichtigt, da das Nießbrauchrecht als höchstpersönliches Recht nicht vererblich ist. Die Vertragsparteien sind bei der Ausgestaltung frei, wie der Ehegatte abgesichert werden soll. Ihm kann neben dem anderen Ehegatten bereits zu Lebzeiten eine Mitberechtigung oder erst nach dem Ableben eine sog. Sukzessivberechtigung eingeräumt werden (Kappler/Kappler, a.a.O., S. 218 Rn 629). Welche Art der Berechtigung eingeräumt wird, ist, wie eine Entscheidung des FG Münster zeigt, aus schenkungsteuerlicher Sicht mitzubeurteilen.
Fallbeispiel:
(in Anlehnung an FG Münster, Urt. v. 14.2.2019 – 3 K 2098/16, BeckRS 2019, 3366): Der Ehemann (E1, 65 Jahre) hat im Jahre 2022 mit Zustimmung seiner Ehefrau (E2, 60 Jahre) seine Immobilie, deren Alleineigentümer er – E1 – war, an die beiden Söhne S1 und S2 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen. Zur eigenen Absicherung und zur Absicherung seiner Ehefrau behält sich E1, als Gesamtgläubiger gem. § 428 BGB, ein lebenslängliches unentgeltliches Nießbrauchrecht vor. Die Immobilie ist vermietet. E2 kümmert sich um die Hausverwaltung. Der Zahlungsverkehr erfolgt über ein für den Grundbesitz eingerichtetes Mietkonto. Kontoinhaber ist E1. E2 besitzt eine Bankvollmacht. Über das Konto werden die auf dem Grundbesitz öffentlichen Lasten sowie Erhaltungsaufwendungen bedient. Zudem erfolgten monatliche Zahlungen in Fonds und Rechnungen von E1 wurden von dem Mietkonto beglichen. Es stellt sich nun u.a. die Frage, ob die Ehefrau Schenkungsteuer zu entrichten hat?
Maßgeblich für die Beantwortung der Frage ist, wie die Einräumung des Nießbrauchrechts für die Ehefrau schenkungsteuerrechtlich zu bewerten ist. Für das Beispiel wird unterstellt, dass der Wert der Immobilie 2.500.000 EUR und der Jahreswert des Nießbrauchrechts 130.000 EUR betrugen.
Zur generellen Berechnung des Nießbrauchrechts folgender Exkurs: Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 BewG wird der Nießbrauchswert mit dem Kapitalwert angesetzt, wobei die Berechnung durch Multiplikation des Jahreswertes des Nießbrauchs mit einem Vervielfältiger erfolgt. Das Verfahren zur Berechnung ist grds. aufwendig (Schur/Schur, ZEV 2020, 317, 319 f. m.w.N.).
1. Kapitalwert
Für die Bestimmung des Kapitalwerts kann die Praxis auf die jährliche Tabelle des Bundesministeriums für Finanzen zurückgreifen, wo sich der Vervielfältiger an der durchschnittlichen Lebenserwartung von Frauen und Männern orientiert. Wird sich der Nießbrauch von mehreren Personen, z.B. Eheleuten, vorbehalten, stellt sich bei der Berechnung die Frage, welcher Vervielfältiger – der nach Frau oder Mann – anzuwenden ist? Es muss danach unterschieden werden, ob die Personen nebeneinander als Gesamtgläubiger oder zeitlich nacheinander berechtigt sind. Dies beurteilt sich nach § 14 Abs. 3 BewG. Im ersten Fall sind das Lebensalter und das Geschlecht derjenigen Person maßgebend, für die sich der höchste Vervielfältiger ergibt (§ 14 Abs. 3 S. 1 BewG). Erlischt hingegen das Recht mit dem Tod des Erstversterbenden, so ist das Lebensalter und Geschlecht derjenigen Person maßgebend, für die sich der niedrigste Vervielfältiger ergibt.
2. Jahreswert
Bei der Bemessung des Jahreswertes des Nießbrauchrechts sind die Grundsätze von § 15 Abs. 3 BewG anzuwenden. Danach ist bei Nutzungen oder Leistungen, die in ihrem Betrag ungewiss sind oder schwanken, als Jahreswert der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird. Maßgeblich soll grds. der Nettoertrag der vorangegangenen drei Jahre sein (BFH, Urt. v. 28.5.2019 – II R 4/16, ZEV 2020, 55; Rössler/Troll/Eisele, § 15 BewG, Rn 7). Zu beachten ist, dass der Jahreswert des Nießbrauchrechts unter Abzug der Schuldzinsen für die zum Zeitpunkt der Zuwendung bestehenden Darlehen zu ermitteln ist, wenn die Schuldzinsen vom Schenker als Nießbraucher während des Bestehen...