Ein britischer Solicitor hat nach dem Brexit seine Kammermitgliedschaft in Deutschland als „europäischer Rechtsanwalt” verloren. Aus diesem Grund dürfen Solicitors auch nicht mehr ohne Weiteres im deutschen und EU-Recht beraten. Das ergibt sich aus einer Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs (AGH) Hamburg (Urt. v. 16.1.2023 – I ZU 12/2021), worauf kürzlich die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hingewiesen hat.
Die eingangs genannte Rechtsfolge ergebe sich zwingend aus § 4 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG), argumentiert der AGH. Die Vorschrift lautet: „Die Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer ist ... zu widerrufen, wenn ... die Person aus sonstigen Gründen den Status eines europäischen Rechtsanwalts verliert.” Dies sei Ende 2020 der Fall gewesen, als britische Solicitors aus der Liste der Berufe (Anlage zu § 1 EuRAG) gestrichen worden seien.
Der Fall, den der AGH zu entscheiden hatte, betraf einen britischen Solicitor, der seit 2002 in einer Hamburger Anwaltskanzlei arbeitete, deren Beratungsschwerpunkte im See- und Schifffahrtsrecht, Versicherungsrecht, Energierecht sowie im Gesellschaftsrecht liegen. Den Fokus seiner Tätigkeit stellten dabei Mandate an der Schnittstelle des deutschen und englischen Rechts unter Einschluss des europäischen Rechts dar. Ausweislich einer von ihm vorgelegten Fallliste aus den Jahren zwischen 2006 und 2020 hat die weit überwiegende Anzahl der von ihm betreuten Mandate eine Verbindung sowohl zum englischen als auch zum deutschen Recht. Insgesamt machten sie ca. 89 % seines Umsatzes aus. Nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU (Brexit) und dem daraufhin geänderten Berufsrecht widerrief die RAK Hamburg Anfang 2021 die Zulassung des Solicitors als europäischer Rechtsanwalt; infolgedessen verlor er auch die Kammerzugehörigkeit. Sein Widerspruch und die anschließende Anfechtungsklage blieben erfolglos.
Der AGH bestätigte die Rechtsauffassung der Anwaltskammer und bescheinigte ihr, keine andere Wahl als den Widerruf gehabt zu haben. Die Rechtslage sei eindeutig: Der Tatbestand des § 4 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 EuRAG sei erfüllt und in der Rechtsfolge handele es sich dem Wortlaut nach („ist ... zu widerrufen”) tatsächlich um eine gebundene Entscheidung. Auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ergebe sich nichts Anderes. Die Situation des Klägers nach dem Brexit sei weder ein untypischer Einzelfall noch liege ein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 12 GG vor. Denn das Berufsrecht habe die Situation der in Deutschland tätigen Rechtsanwälte nach dem Brexit durchaus im Blick gehabt. So hätte der Kläger – hätte er sich rechtzeitig bemüht – die Möglichkeit gehabt, etwa seine Eingliederung in die deutsche Rechtsanwaltschaft gem. §§ 11 ff. EuRAG zu beantragen, wodurch eine unveränderte Fortsetzung seiner Beratungstätigkeit möglich gewesen wäre. Auch hätte er einen Antrag nach §§ 16 ff. EuRAG auf Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation stellen können. Zudem könne er – auch jetzt noch jederzeit – eine Zulassung als „WHO-Rechtsanwalt” gem. §§ 206 ff. BRAO beantragen, müsste sich dann in der Hamburger Kanzlei aber auf die Beratung zum englischen Recht beschränken.
Eine Chance hat der Jurist aber noch, worauf die BRAK hinweist: Da er bereits einen Antrag auf Eingliederung gem. §§ 11 f. EuRAG eingereicht hat, müsste er jetzt nur noch nachweisen, dass er mind. drei Jahre effektiv und regelmäßig als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Deutschland auf dem Gebiet des deutschen Rechts, einschließlich des Gemeinschaftsrechts, tätig war. Diese Voraussetzungen dürften vorliegend erfüllt sein. Ungeklärt ist bislang allerdings, ob die Stellung eines entsprechenden Antrags auch noch nach dem Ablauf des Übergangszeitraums im Anschluss an den Brexit möglich ist. Darüber wird die Hamburger Kammer wohl erneut entscheiden müssen.
[Quellen: AGH Hamburg/BRAK]