In der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung werden Unterhaltsansprüche der leistungsberechtigten Person gegen ihre Kinder bzw. gegen die Eltern nicht als Einkommen angerechnet (s. den früheren § 43 Abs. 3 bzw. 5 SGB XII bzw. seit dem 1.1.2020 § 94 Abs. 1a SGB XII). Nicht erfasst von dieser Freistellung sind tatsächliche Unterhaltszahlungen. In seinem Urt. v. 8.12.2022 – B 8 SO 4/21 R (dazu Schürmann, FamRZ 2023, 1193) hatte das BSG zu entscheiden, ob zusätzlich tatsächliche Unterhaltszahlungen nicht angerechnet werden.
Die 1990 geborene und an Mukoviszidose erkrankte Klägerin bezog im streitbefangenen Zeitraum ein Pflegegeld aus der sozialen Pflegeversicherung. Außerdem erhielt sie von ihrer Mutter das für sie gezahlte Kindergeld i.H.v. 184 EUR und sie wohnte kostenfrei bei ihrer Mutter. Der Vater zahlte aufgrund eines Unterhaltstitels 312 EUR Unterhalt. Auf seine Abänderungsklage hin wurde der Unterhaltstitel mit Wirkung vom 1.5.2014 dahingehend abgeändert, dass er Unterhalt nur i.H.d. nach Anrechnung des Kindergeldes und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung verbleibenden Restbetrags zu zahlen habe. Der Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab, weil die tatsächlichen Unterhaltsleistungen an die Klägerin ihren Bedarf übersteigen. Während ihr Widerspruch zurückgewiesen wurde, war ihre Klage erfolgreich. Die Berufung des Beklagten hiergegen wurde vom LSG zurückgewiesen. Mit der Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 43 Abs. 3 S. 1 SGB XII i.V.m. § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII.
Ein Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung hätte im entschiedenen Fall gem. § 19 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 41 Abs. 1 und Abs. 3 SGB XII nur bestanden, wenn die volljährige Klägerin dauerhaft unabhängig von der Arbeitsmarktlage nicht in der Lage gewesen wäre, zu den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mind. drei Stunden täglich zu arbeiten, den gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt hätte und ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen hätte bestreiten können.
Hinweis:
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten außerdem volljährige bedürftige Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, die die zwischen 65 und 67 Jahre liegende Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII überschritten haben (§ 41 Abs. 3 SGB XII), oder die sich im Eingangsverfahren oder im Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen befinden (§ 41 Abs. 3a SGB XII).
In dem vom BSG entschiedenen Fall waren die Anspruchsvoraussetzungen überwiegend erfüllt. Strittig war lediglich, ob die Unterhaltszahlungen des Vaters anzurechnen waren, mit der Folge, dass Bedürftigkeit und damit der Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht bestanden hätte. Dies setzte voraus, dass die Unterhaltszahlungen als Einkommen i.S.v. § 82 SGB XII zu qualifizieren und sie nicht von der Einkommensanrechnung (etwa nach § 43 SGB XII oder den §§ 83, 84 SGB XII) ausgenommen waren.
Wegen des in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung geltenden Monatsprinzips rechnet das BSG zum Einkommen alle Zuflüsse im Bedarfsmonat ungeachtet, ob ein Anspruch auf sie besteht, wie sie bezeichnet werden, in welcher Form, aus welchem Grund, ob sie einmalig oder laufend oder regelmäßig oder unregelmäßig geleistet werden (so etwa BSG, Urt. v. 3.7.2020 – B 8 SO 27/18 R, BSGE 130, 250 Rn 15 m.w.N.). Bei den Unterhaltszahlungen des Vaters handelt es sich um Einkommen i.d.S. der Klägerin. Sie fließen der Klägerin jeweils im Bedarfsmonat zu.
Der Anrechnung der Unterhaltszahlungen stehen Ausnahmetatbestände nicht entgegen. § 84 Abs. 2 SGB XII schließt die Anrechnung nicht aus, weil § 1602 BGB zur Zahlung von Unterhalt rechtlich verpflichtet. § 83 Abs. 1 SGB XII stellt Zahlungen aufgrund zivilrechtlicher Vorschriften nicht von der Anrechnung frei (Rn 16 der Urteilsgründe).
Die Anrechnung wurde ferner nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Vater ab der Erhebung der Abänderungsklage den Unterhalt unter Vorbehalt zahlte. Einnahmen sind zwar nach der Rspr. des BSG (Urt. v. 23.8.2013 – B 8 SO 24/11 R, Rn 25) grds. nur anzurechnen, wenn sie der hilfebedürftigen Person endgültig verbleiben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Rückzahlungsverpflichtung bereits im Zeitpunkt des Zuflusses besteht (Rn 17 der Urteilsgründe). Ansonsten handelt es sich um bereite Mittel, die im Monat des Zuflusses zu verbrauchen sind. Weiter war die Rspr. des BSG zu den darlehensweisen Überbrückungsleistungen nicht anwendbar. Nach dieser sind Zahlungen eines Dritten an die antragstellende Person nicht anzurechnen, wenn diese zur Überbrückung bis zur endgültigen Bewilligung der SGB-XII-Leistungen gewährt werden (BSG, Urt. v. 20.9.2012 – B 8 SO 15/11 R, BSGE 112, 67 Rn 25). Eine entsprechende Zwecksetzung war dem Vorbehalt des Vaters nicht zu entnehmen.
Schließlich konnte das BSG aus § 43 Abs. 3 bzw. 5 SGB XII (a...