Gemäß § 535 Abs. 1 S. 1 BGB hat der Vermieter dem Mieter den Gebrauch der vermieteten Sache während der Mietzeit zu gewähren. Welche einzelnen Gebrauchsrechte daraus erwachsen, ergibt sich nicht aus dem Gesetz, sondern aus der Vereinbarung des Nutzungszwecks und ergänzenden Abreden der Mietvertragsparteien, die sich im Zweifel im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB ergeben. Mehr als der vertragsgemäße Gebrauch ist dem Mieter aber auch nicht erlaubt, wie dem Regelungsinhalt von §§ 538, 541 BGB entnommen werden kann: Nach § 538 BGB hat der Mieter Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache dann nicht zu vertreten, wenn diese durch den vertragsgemäßen Gebrauch entstanden sind. § 541 BGB räumt dem Vermieter einen Unterlassungsanspruch ein, sofern der Mieter den vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz erfolgter Abmahnung des Vermieters fortsetzt. Für die jeweilige Bestimmung von Inhalt und Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs sind die nur bruchstückhaft vorhandenen gesetzlichen Regelungen wenig hilfreich (so völlig zu Recht Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 15. Aufl. 2021, § 535 BGB Rn 285). Die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs sind im Einzelfall zu bestimmen, wobei sie sich in erster Linie nach den vertraglichen Vereinbarungen richten; die allerdings, soweit sie Gebrauchsrechte beschränken, an den allgemeinen Vorschriften der §§ 134, 138, 242, 305 ff. BGB zu messen sind. Im Grundsatz besteht das Recht des Mieters auf ungestörten Mietgebrauch. Der Vermieter hat daher alle Eingriffe zu unterlassen, die gegen das dem Mieter nach dem Vertrag und dem Gesetz gewährte Gebrauchsrecht verstoßen. Beispiele für unzulässige Störungen des Mietgebrauchs (vgl. insoweit umfassend Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 15. Aufl. 2021, § 535 BGB Rn 286; teilweise auch Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 16. Aufl. 2024, § 535 BGB Rn 572):
- eigenmächtiges Betreten der Mieträume durch den Vermieter,
- Zugangshinderungen zu den Mieträumen durch Baumaßnahmen, die den gefahrlosen und bequemen Zutritt des Publikums zum Geschäft des Mieters einschränken,
- Duldung des Vermieters, dass Dritte den Mietgebrauch des Mieters stören, wozu auch die Gewährung von Konkurrenzschutz für den Gewerberaummieter gehört sowie
- Vorenthaltung von Versorgungsleistungen für die Mieträume mit Strom, Gas, Wasser und sonstigen Energieträgern.
1. Prozessuale Voraussetzungen und Problembereiche
Auf Mieterseite spielen die einzelnen Gebrauchsrechte regelmäßig eine Rolle im Zusammenhang mit der Beratung und/oder der Durchsetzung eines Zustimmungsanspruchs gegen den Vermieter bzw. der Vorfrage, ob überhaupt eine zustimmungsbedürftige Handlung vorliegt. Das prozessuale Mittel zur Durchsetzung dieser Ansprüche ergibt sich entweder aus einer Zustimmungsklage (Klage auf Abgabe einer Willenserklärung nach § 894 ZPO) oder einer allgemeinen Feststellungsklage, wenn eine nicht zustimmungsbedürftige Handlung vorgenommen wurde oder werden soll. Auf Vermieterseite ist regelmäßig zu prüfen, ob die vom Mieter durchgeführte oder geplante Maßnahme ein vertragswidriges Verhalten darstellt, weil sie zustimmungsbedürftig ist. Als materielle Anspruchsgrundlagen kommen insoweit in Betracht:
a) Verhältnis der Anspruchsgrundlagen
Die möglichen Anspruchsgrundlagen stehen (vom Schadensersatz abgesehen) grds. in einem Stufenverhältnis, welches sich insb. am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientiert. Wegen geringer Vertragsverstöße kann – auch nach vorheriger Abmahnung – nicht bereits zur schwersten Sanktion der Kündigung gegriffen werden, wenn nicht zuvor erfolgreich ein Erfüllungsanspruch gerichtlich geltend gemacht wurde. Unter Umständen muss sogar zunächst erfolglos die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden (AG Hamburg-Altona, Urt. v. 19.8.1999 – 317 C 324/99, WuM 2000, 418). Ebenso muss bei einem vertragswidrigen Verhalten, das sich als Überschreiten der Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs darstellt (z.B. Tierhaltung), zunächst i.d.R. ein Unterlassungsanspruch (gerichtlich) durchgesetzt werden, bevor daraus eine Kündigung hergeleitet werden kann (umstritten: bejahend LG München I, Urt. v. 27.1.1999 – 14 S 13615/98, WuM 1999, 217; a.A. LG Berlin, Urt. v. 13.7.1998 – 62 S 91/98, ZMR 1999, 28: nicht bei vorheriger Abmahnung; LG Hildesheim, Beschl. v. 28.2.2006 – 7 S 4/06, WuM 2006, 525). In Ausnahmefällen kann auch sofort eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein, so z.B. wenn von einem Haustier erhebliche Lärmbelästigungen ausgehen (AG Frankfurt a.M., Urt. v. 18.8.1976 – 33 C 4380/75, WuM 1978, 127) oder wenn insgesamt 28 Katzen in einer Wohnung gehalten werden (AG Neustadt (Rübenberg), Urt. v. 27.7.1998 – 48 C 435/98, ZMR 1998, 785).
b) Konkrete Gefährdung der Mietsache durch die Gebrauchsüberschreitung
Sofern durch eine Gebrauchsüberschreitung des Mieters zugleich die Mietsache konkret gefährdet wird, soll der Vermieter allgemein fristlos kündigen können, ohne zuvor auf das für den Mieter mildere Mittel...