Zusammenfassung
Die Änderung des Gebrauchsrechts des Mieters in Bezug auf das von ihm gemietete Mietobjekt hat sowohl große praktische Relevanz in der anwaltlichen Beratung als auch in der Gerichtspraxis und besitzt Bedeutsamkeit in einer Vielzahl unterschiedlichster Fallkonstellationen. Im folgenden Beitrag wird die Änderung des Gebrauchsrechts des Mieters und die Möglichkeit baulicher Veränderungen des Wohnraummieters im laufenden Wohnraummietvertrag beleuchtet. Im Rahmen möglicher baulicher Veränderungen wird insb. die besonders aktuelle Problematik des Einbaus von Photovoltaikanlagen des Mieters auf dessen Balkon oder (Dach-)Terrasse (Stichwort: „Balkonkraftwerk”) und deren mietrechtliche Zulässigkeit dargestellt.
I. Der Mietvertragszweck als Ausgangspunkt des Gebrauchsrechts des Mieters
Der vertragsgemäße Gebrauch ist ein Zentralbegriff des Mietrechts, nach dem sich letztlich sämtliche Rechte und Pflichten der Mietparteien richten: Einerseits trifft den Vermieter eine Verschaffungs- und Erhaltungspflicht aus § 535 Abs. 1 S. 1, 2 BGB und andererseits muss sich der Mieter bei der Benutzung der Mietsache strikt an die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs halten (§§ 538, 541 BGB; Staudinger/Emmerich, 2021, § 535 BGB Rn 35). Innerhalb der durch Art. 13 GG geschützten Wohnung des Mieters, als dessen zentraler Lebensmittelpunkt, entfaltet sich der Kernbereich des Rechts zum vertragsgemäßen Gebrauch, welches seinerseits in § 535 Abs. 1 S. 2 BGB eine gesetzliche Grundlage als Kardinalpflicht erhalten hat (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 15. Aufl. 2021, § 535 BGB Rn 228; vgl. auch Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 16. Aufl. 2024, § 535 BGB Rn 344 ff.). Zwischen dem Recht des Mieters zum vertragsgemäßen Gebrauch und dem vereinbarten Mietvertrag besteht eine enge inhaltliche Verknüpfung dergestalt, dass maßgeblich für den Inhalt und Umfang des Rechts zum vertragsgemäßen Gebrauch für den Mieter zunächst der (ausdrücklich oder konkludent) vereinbarte Mietvertragszweck ist, da sich hieraus der konkrete Mietgebrauch ergibt, den der Mieter aufgrund seiner vertraglichen Stellung ausüben darf.
1. Festlegung des vertragsgemäßen Mietgebrauchs durch die Parteien
Der Miet- bzw. Vertragszweck und damit einhergehend der Umfang des vertragsgemäßen Gebrauchs kann von den Parteien im Rahmen privatautonomer Vereinbarung festgelegt werden (§§ 311 Abs. 1, 535 BGB; Staudinger/Emmerich, Neubearbeitung 2021, Stand 2.6.2024, § 535 BGB Rn 35). Nur selten legen die Vertragsparteien den Umfang des vertragsgemäßen Gebrauchs im Mietvertrag jedoch umfassend und detailliert fest (MüKo-BGB/Häublein, 9. Aufl. 2023, § 535 BGB Rn 84). Der Inhalt einer vertraglichen Vereinbarung zum Vertragszweck ist daher im Zweifel entsprechend der aus dem allgemeinen Teil des BGB bekannten Auslegung unter Anwendung von §§ 133, 157 BGB (sog. Empfängerhorizont) und ggf. von § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben) zu ermitteln (OLG Hamburg, Urt. v. 13.7.1994 – 4 U 11/94, ZMR 1995, 120; Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 16. Aufl. 2024, § 535 BGB Rn 361 u. 368; MüKo-BGB/Häublein, 9. Aufl. 2023, § 535 BGB Rn 84). Hierbei kann im Einzelfall auch die Verkehrsanschauung maßgeblich sein, soweit insb. der Umfang des (noch) vertragsgemäßen Mietgebrauchs fraglich ist. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Umfang des (noch) vertragsgemäßen Mietgebrauchs durch den Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen und des technischen Fortschritts verändert werden kann, wobei auch örtliche Sitten und Gebräuche zu berücksichtigen sein können (BGH, Urt. v. 10.4.2013 – VIII ZR 213/12, NJW 2013, 1806; BGH, Urt. v. 10.5.2006 – XII ZR 23/04, NJW-RR 2006, 1158; AG Frankfurt a.M., Urt. v. 30.11.1999 – 33 C 2982/99, NZM 2000, 961).
Praxistipp:
Es kann also insb. bei langjährigen Mietverträgen durchaus vorkommen, dass Verhaltensweisen des Mieters bei Mietbeginn und Mietvertragsschluss nicht vom vertragsgemäßen Gebrauch umfasst sind, durch Änderungen infolge technischen Fortschritts oder eine neue gesellschaftliche Entwicklung nunmehr aber erlaubt sind und vice versa. Das gilt aber nur dann, solange die Vertragsparteien nicht den jeweiligen Mietgebrauch (individual-)vertraglich ausdrücklich vereinbart haben und damit auch für die Zukunft festgeschrieben haben. In dem letztgenannten Fall kann eine Änderung des Mietgebrauchs nur unter den strengen Anforderungen der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB erfolgen.
2. Zu berücksichtigende Umstände bei der Ermittlung des Mietgebrauchs
Bei der durchzuführenden Abwägung der widerstreitenden Interessen ist zum einen auf die Intensität des Eingriffs, zum anderen auf das Gewicht des hinter dem Änderungswunsch stehenden Mieterinteresses abzustellen, wobei Letzteres auch Gemeinwohlbelange einschließen kann, was insb. im Kontext der noch zu behandelnden klimaschützenden, baulichen Änderungen durch den Mieter relevant wird (MüKo-BGB/Häublein, 9. Aufl. 2023, § 535 BGB Rn 84, allerdings nur auf die Elektromobilität bezogen). Wichtigste Prämisse der Bestimmung des zulässigen Mietgebrauchs ist die Benutzung als Wohnung (BayObLG, Rechtsentscheid in Mietsachen v. 19.1.1981 – Allg. Reg. 103/80, WuM 1981, 80). Was genau hierunter zu verstehen ist, ist im Einzelfall problematisch. Der Be...