Insbesondere der Arbeitgeber hat vor Ausspruch einer Kündigung zu prüfen, ob im jeweiligen Einzelfall besondere Kündigungsvorschriften zu beachten sind, deren Verletzung zur Unwirksamkeit der Kündigung führt.
1. Kündigungs- und Benachteiligungsverbote
Für besonders schützenswerte Arbeitnehmer und bei Vorliegen bestimmter Umstände bestehen Kündigungs- sowie Kündigungsschutz vermittelnde Benachteiligungsverbote.
Ein wichtiges statusbezogenes Kündigungsverbot ist in § 15 KSchG (s.a. § 29a HAG, § 96 SGB IX) geregelt, wonach betriebsverfassungsrechtlichen Funktionsträgern (v.a. Betriebsratsmitgliedern) nicht ordentlich gekündigt werden kann. Weitere statusbezogene Kündigungsverbote finden sich z.B. in §§ 58 Abs. 2, 58d BImSchG, § 4f Abs. 3 BDSG (Interne Immissionsschutz-, Störfall- und Datenschutzbeauftragte) oder in Tarifverträgen (z.B. § 34 Abs. 2 TVöD).
Hinweis:
Auch (zweck-)befristete bzw. auflösend bedingte Arbeitsverhältnisse können nur bei ausdrücklicher einzel- oder tarifvertraglicher Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit ordentlich gekündigt werden, § 15 Abs. 3 TzBfG.
Daneben existieren eine Reihe von umstandsbezogenen Kündigungsverboten wie das Verbot in § 613a Abs. 4 BGB, wonach Arbeitnehmern nicht wegen eines Betriebsübergangs gekündigt werden darf. Weitere umstandsbezogene Kündigungsverbote finden sich z.B. in
Neben Kündigungsverboten vermittelt auch eine Reihe von Benachteiligungsverboten relativen Kündigungsschutz, z.B.
- § 4 TzBfG (Teilzeit- und befristet Beschäftigte),
- § 26 ArbGG, § 20 SGG (ehrenamtliche Richter),
- § 78 BetrVG (betriebsverfassungsrechtliche Funktionsträger),
- § 2 Abs. 3 SprAuG (Mitglieder des Sprecherausschusses),
- § 26 MitbestG (Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer),
- § 22 Abs. 3 SGB VII (Sicherheitsbeauftragte),
- § 612a BGB (zulässige Rechtsausübung),
- § 20 Abs. 1 BetrVG (Durchführung von Betriebsratswahlen),
- § 17 Abs. 2 S. 2 ArbSchG (Anzeige von nicht ausreichenden Arbeitsschutzmaßnahmen),
- § 84 BetrVG (Erhebung einer Beschwerde).
2. Zustimmungserfordernisse
In einer Reihe von Fällen muss der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung zu deren Wirksamkeit die Zustimmung eines Dritten einholen:
- § 103 Abs. 1 BetrVG (i.V.m. § 15 KSchG; § 96 Abs. 3 SGB IX; § 29a HAG), § 47 Abs. 1 BPersVG: Zustimmung des Betriebs-/Personalrats bei außerordentlicher Kündigung eines Betriebs-/Personalverfassungsorgans;
- §§ 85, 91 SGB IX: Zustimmung des Integrationsamtes bei Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers;
- § 9 Abs. 3 MuSchG: Zulässigkeitserklärung der Arbeitsschutzschutzbehörde bei Kündigung einer schwangeren Frau oder einer Frau, deren Kind nicht älter als vier Monate ist;
- § 18 Abs. 1 u. 2 BEEG: Zulässigkeitserklärung der Arbeitsschutzbehörde bei Kündigung von Elternzeit nehmenden Arbeitnehmern, von während der Elternzeit in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmern und von Teilzeitbeschäftigten, die Anspruch auf Elterngeld haben;
- § 5 Abs. 2 PflegeZG: Zulässigkeitserklärung der für Arbeitsschutzbehörde bei Kündigung von Beschäftigten, die sich in kurzzeitiger Arbeitsverhinderung i.S.d. § 2 PflegeZG oder in der Freistellung i.S.d. § 3 PflegeZG befinden;
- § 102 Abs. 6 BetrVG: Zustimmung des Betriebsrats für Kündigungen von Arbeitnehmern, wenn dies in einer Betriebsvereinbarung vereinbart ist;
- § 7 Abs. 1 ArbSG: Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit für Kündigungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zur Sicherstellung von Arbeitsleistungen.
Hinweis:
Bedarf die Kündigung der Zustimmung einer Behörde, läuft die dreiwöchige Klagefrist erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer an, § 4 S. 4 KSchG.
3. Anhörungserfordernisse
In Unternehmen mit Betriebsrat hat der Arbeitgeber vor Ausspruch jeder Kündigung den zuständigen Betriebsrat anzuhören, § 102 BetrVG. Eine ohne ordnungsgemäße Anhörung ausgesprochene Kündigung ist unwirksam, § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG. Entsprechendes gilt im Personalvertretungsrecht, § 79 Abs. 4 BPersVG.
Zur wirksamen Anhörung muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung (formlos) mitteilen, § 102 Abs. 2 S. 2 BetrVG.
Hinweis:
Aus Beweisgründen empfiehlt sich, den Betriebsrat schriftlich zu unterrichten und sich den Empfang quittieren zu lassen.
Da sich der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess nur auf die Kündigungsgründe berufen kann, zu denen er den Betriebsrat vorher angehört hat (BAG NZA 1986, 677, 678), sollte er den Betriebsrat bei einer außerordentlichen Kündigung vorsorglich immer auch zur hilfsweise, ordentlichen Kündigung anhören!
4. Anzeigeerfordernisse
Nach § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Arbeitsagentur schriftlich (§ 17 Abs. 3 S. 2 KSchG) Anzeige zu erstatten, bevor er in Betrieben mit i.d.R. mehr als 20 Arbeitnehmern eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt. Unter "Entlassung" ist der Ausspruch der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen (BAG NZA 2015, 881, 882). Eine vor Anzeige einer wirksamen Massenentlassung ausgesprochene Kündi...