Die Rechtsfolge der "angemessenen" Fristsetzung ist in § 244 Abs. 6 S. 3 StPO geregelt. Danach müssen nach Fristablauf gestellte Beweisanträge nicht (mehr) gem. § 244 Abs. 6 S. 1 StPO in der Hauptverhandlung durch Beschluss beschieden werden, vielmehr ist eine Bescheidung in den Urteilsgründen erlaubt. Ausreichend für den Eintritt der Rechtsfolge ist allein der Fristablauf. Weitere Voraussetzungen, wie etwa Verfahrensverzögerung und/oder Anzeichen für eine Verschleppungsabsicht, müssen nicht vorliegen (krit. hierzu BRAK-Stellungnahme 17/17, S. 7).

 

Hinweis:

Zu beachten ist, dass die Neuregelung nicht den Katalog der Ablehnungsgründe in § 244 Abs. 3 bis 5 StPO erweitert hat (so ausdrücklich BT-Drucks 18/11277, S. 35). Geändert worden ist lediglich die Form bzw. Art und Weise der Bescheidung des "verspäteten" Beweisantrags. Das bedeutet, dass das Gericht bei der Bescheidung im Urteil – ebenso wie bei der Bescheidung eines Beweisantrags in der Hauptverhandlung – an die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 bis 5 StPO gebunden ist (vgl. zu diesen Burhoff, HV, Rn 858 ff.).

Die erweiterte Ablehnungsmöglichkeit gilt auch nur für die Fälle, in denen der "verspätete" Beweisantrag aus einem der in § 244 Abs. 3 bis 5 StPO genannten Gründe abgelehnt werden soll. Die Regelung erlaubt die Ablehnung nicht, wenn kein Ablehnungsgrund des § 244 StPO vorliegt. Dann muss dem Antrag in Erfüllung der durch die Neuregelung nicht eingeschränkten Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nachgegangen werden und das Gericht erneut in die Beweisaufnahme eintreten (BT-Drucks 18/11277, S. 35).

§ 244 Abs. 6 S. 3 Hs. 2 StPO enthält eine recht vage formulierte Ausnahme von der Regelung in § 244 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 StPO: Danach ist die Möglichkeit, über einen Beweisantrag wegen Verspätung erst im Urteil zu entscheiden, ausgeschlossen und es verbleibt bei der Verpflichtung des Gerichts, gem. § 244 Abs. 6 S. 1 StPO über den Beweisantrag durch Beschluss zu entscheiden, wenn "die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war". Auf ein Verschulden des Antragstellers kommt es also nicht an. Ausreichend für den Eintritt der Ausnahme ist allein, dass die Stellung des Antrags nicht eher möglich war. Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 18/11277) lässt weitgehend offen, was darunter zu verstehen ist (wegen der Einzelheiten zur Anwendung der Ausnahmen Burhoff, StPO 2017, Rn 252 ff.).

  • Im Einzelnen (vgl. auch Burhoff, StPO 2017, Rn 252 ff.): Angeführt wird in der Gesetzesbegründung nur der Fall, dass das Beweismittel dem Antragsteller erst nach Ablauf der Frist bekannt geworden ist. Die Fälle werden in der Praxis nicht häufig sein. Zu denken ist in dem Zusammenhang aber ggf. an einen Zeugen, der sich erst nachträglich, z.B. aufgrund von Medienberichten zum Verfahren, beim Verteidiger/Angeklagten meldet.
  • Von Bedeutung ist in dem Zusammenhang immer auch, wer den "verspäteten Beweisantrag" stellt. So kann dem Verteidiger ggf. eine frühere Antragstellung möglich gewesen sein, weil er das Beweismittel kannte, der Angeklagte hat das Beweismittel aber eventuell nicht gekannt, weil der Verteidiger – aus welchen Gründen auch immer – den Mandanten nicht (ausreichend) informiert hat. Dann müsste, weil der Angeklagte ein eigenes Beweisantragsrecht hat (vgl. dazu Burhoff, HV, Rn 898 ff.), der Angeklagte den Antrag noch stellen können und dieser Antrag auch durch Beschluss beschieden werden. Ein entsprechender Beweisantrag des Verteidigers dürfte hingegen im Urteil beschieden werden.
  • Eine Zurechnung von Kenntnis des Verteidigers/Angeklagten an den jeweils anderen Verfahrensbeteiligten findet nicht statt.
  • Offen bleibt nach dem Gesetzeswortlaut, ob es auf eine subjektive Unmöglichkeit beim Antragsteller/Verteidiger ankommt oder ob eine objektive Unmöglichkeit der rechtzeitigen Antragstellung vorliegen muss.

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