Änderungen im Überblick:
- Normen: §§ 26, 26a, 29 StPO
Regelungsgehalt:
- Fristsetzung: angemessene Frist zur Antragsbegründung (§ 26 StPO)
- Unzulässigkeit: Zurückweisung des Antrags (§ 26a StPO)
- weiterer Gang der Hauptverhandlung (§ 29 StPO)
- Verteidigerstrategie: Beanstandung; Verfahrensrüge?
1. Schriftliche Antragstellung (§ 26 Abs. 1 S. 2 StPO)
Zur (angeblichen) Beschleunigung von Ablehnungsverfahren (vgl. BT-Drucks 18/11277, S. 19) ist § 26 Abs. 1 S. 2 StPO geändert worden. Nach der Neuregelung wird zwar grundsätzlich daran festgehalten, dass auch eine mündliche Anbringung des Ablehnungsgesuchs in der Hauptverhandlung zulässig/möglich ist. Das Gericht kann nach dem neuen § 26 Abs. 1 S. 2 StPO in Zukunft jedoch dem Antragsteller aufgeben, das Ablehnungsgesuch schriftlich zu begründen. Diese Änderungen gelten über § 71 OWiG auch für das Bußgeldverfahren.
Dem Gericht soll damit "in Ausnahmefällen" (vgl. dazu BT-Drucks 18/11277, S. 19) eine Möglichkeit an die Hand gegeben werden, Situationen zu begegnen, in denen das Recht zur mündlichen Begründung eines Ablehnungsgesuchs in der Hauptverhandlung mit dem Ziel der Verfahrensverzögerung missbraucht wird. Dies könne insbesondere in umfangreichen Verfahren von Bedeutung sein, in denen Verfahrensverzögerungen den weiteren Verlauf der Hauptverhandlung vor allem deshalb empfindlich stören würden, weil sie zu zahlreichen Umladungen von Zeugen und Sachverständigen führen würden. Die Beschränkung auf "Ausnahmefälle" ist allerdings in den Gesetzeswortlaut nicht übernommen worden. Dieser erfasst vielmehr alle Fälle der Antragstellung (vgl. aber den Hinweis in Zusammenhang mit der Begründung zum neuen § 29 Abs. 2 StPO in BT-Drucks 18/11277, S. 20).
Die neue Formulierung des § 26 Abs. 1 S. 2 StPO beinhaltet (nun) die Verweisung auf § 257a StPO (zu der Regelung – und auch zu der Kritik an ihr – Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 8. Aufl. 2016, Rn 2476 [im Folgenden kurz: Burhoff, HV]). Da in § 257a S. 3 StPO ohne Einschränkungen auf die Regelungen zum Urkundenbeweis auf § 249 StPO verwiesen wird, ist damit grundsätzlich auch das sog. Selbstleseverfahren nach § 249 Abs. 2 StPO zulässig (vgl. dazu Burhoff, HV, Rn 2504).
2. Anordnung
Für die Anordnung der schriftlichen Antragstellung gilt: Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung des Gerichts, bei der die Vorstellungen des Gesetzgebers – "in Ausnahmefällen" (vgl. BT-Drucks 18/11277, S. 19, 20 ["Prozessverschleppung"]) – zu berücksichtigen sind. Folgt man dem, wird nicht bereits bei der ersten Antragstellung eine Verweisung auf die schriftliche Begründung zulässig sein. Auch bei der von § 26 Abs. 1 S. 2 StPO vorgesehenen/zugelassenen "angemessenen" Fristsetzung sind die Interessen des Angeklagten/Verteidigers zu berücksichtigen (vgl. II. 4.). Die Frist darf also nicht zu kurz bemessen sein. Die Entscheidung des Gerichts ist zu begründen, da anderenfalls nicht überprüft werden kann, ob das Gericht zutreffend auf das schriftliche Verfahren verwiesen hat.
Hinweise:
- Die Anordnung trifft das Gericht – und nicht der Vorsitzende allein – durch Beschluss (§ 338 Nr. 8 StPO). Wird der Vorsitzende allein tätig, ist seine Maßnahme gem. § 238 Abs. 2 StPO zu beanstanden.
- Gegebenenfalls muss der Verteidiger eine Unterbrechung der Hauptverhandlung bzw. eine längere Frist beantragen.
- Gibt das Gericht dem Antragsteller auf, sein Ablehnungsgesuch schriftlich zu begründen, ist für das weitere Verfahren bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch der (geänderte) § 29 StPO anzuwenden (vgl. dazu II. 5.).
3. Fristsetzung (§ 26 Abs. 1 S. 2 StPO)
Nach § 26 Abs. 1 S. 2 StPO kann dem Antragsteller aufgegeben werden, das Gesuch in einer "angemessenen Frist" zu begründen. "Angemessen" ist eine Frist nur, wenn dem Antragsteller genügend Zeit für die Begründung gegeben wird. Bei dieser Ermessensentscheidung sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, also z.B. welche Gründe vorgetragen werden (sollen). Von Bedeutung wird ggf. auch sein, ob und ggf. wie schnell der Antragsteller die Ablehnungsgründe glaubhaft machen kann (vgl. dazu aber BGH, Urt. v. 10.11.1967 – 4 StR 512/66; OLG Hamm, Beschl. v. 8.6.2017 – 4 RVs 64/17).
4. Unzulässigkeit des Ablehnungsantrags (§ 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO)
Korrespondierend mit der Möglichkeit der Fristsetzung (vgl. II. 3.) sind in § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO die Möglichkeiten, ein Ablehnungsgesuch als unzulässig zu verwerfen, erweitert worden. Hat das Gericht nämlich nach § 26 Abs. 1 S. 2 StPO eine "angemessene" Frist zur schriftlichen Begründung des Ablehnungsantrags gesetzt, kann nach Ablauf dieser Frist die Ablehnung als unzulässig verworfen werden, wenn der Antrag nicht fristgerecht begründet wurde.
Hinweis:
Die Unzulässigkeit der Zurückweisung des Ablehnungsantrags wegen eines "Fristenverstoßes" ist mit der Verfahrensrüge geltend zu machen.
5. Weiterer Ablauf der Hauptverhandlung (§ 29 StPO)
Im Anwendungsbereich des § 29 StPO, der den weiteren Ablauf der Hauptverhandlung regelt, wenn ein Ablehnungsantrag gestellt worden ist, sind an zwei Stellen Änderung...