Gegen das in Abwesenheit des Betroffenen ergangene Urteil ist Rechtsbeschwerde nach den allgemeinen Regeln der §§ 79 ff. OWiG zu erheben (vgl. dazu Burhoff/Junker, OWi, Rn 2929; Junker in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 2. Aufl. 2016, Teil A Rn 1053 ff.).
Ist ein Entbindungsantrag nicht oder nicht richtig beschieden, kann das ebenfalls mit der Rechtsbeschwerde gerügt werden. Entsprechendes gilt, wenn das AG den Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen hat, obwohl dieser "genügend entschuldigt" war.
Hinweis:
Der Verteidiger muss in diesen Fällen grundsätzlich immer die Verfahrensrüge erheben (vgl. BayObLG DAR 2000, 578; Göhler/Seitz/Bauer, § 80 Rn 16b). Bei den sog. geringen Geldbußen (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG), bei denen eine Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Verletzung des formellen Rechts nicht in Betracht kommt, ist eine Versagung/Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG geltend zu machen.
Das bedeutet, dass nach §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO der Tatsachenvortrag so vollständig sein muss, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen zutrifft (vgl. dazu u.a. OLG Hamm StraFo 2004, 281 = VRS 107, 120 = zfs 2004, 584; Göhler/Seitz/Bauer, § 79 Rn 27d; Burhoff/Junker, OWi, Rn 3069 ff.). Es muss also in der Begründungsschrift durch entsprechenden Tatsachenvortrag schlüssig dargelegt werden, dass ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt. Soll geltend gemacht werden, dass die Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen unzulässigerweise unterblieben ist, muss dargelegt werden, aus welchen Gründen das AG dem Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG hätte stattgeben müssen.
Im Einzelnen muss der Verteidiger
- darlegen, aus welchen Gründen der Tatrichter von der Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung einen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts unter keinen Umständen hätte erwarten dürfen (OLG Hamm NZV 2006, 667 = zfs 2006, 710 = VRS 111, 370),
- darlegen, wie sich der Betroffene bislang zum Tatvorwurf geäußert hat und was er bzw. sein Verteidiger im Falle seiner Anhörung in der Hauptverhandlung zur Sache vorgebracht hätte (OLG Karlsruhe VRR 2005, 392),
- den im Bußgeldbescheid erhobenen Tatvorwurf und die konkrete Beweislage im Einzelnen vortragen (vgl. OLG Hamm StraFo 2004, 281 = VRS 107, 120 = zfs 2004, 584; OLG Köln NZV 1998, 474; Göhler/Seitz/Bauer, § 74 Rn 48 c),
- i.d.R. darlegen, wann und mit welcher Begründung der Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gestellt worden ist und wie das Gericht diesen Antrag beschieden hat (OLG Hamm a.a.O.),
- konkret die Tatsachen darlegen, anhand derer die Beruhensfrage geprüft werden kann (vgl. BVerfG NJW 1992, 2811; BGHSt 30, 331; OLG Hamm a.a.O.; OLG Köln NZV 1992, 419),
- wenn der Entbindungsantrag erst zu Beginn der Hauptverhandlung gestellt worden ist, darlegen, dass der Verteidiger zur Stellung des Entbindungsantrags eine über die Verteidigervollmacht hinausgehende Vertretungsvollmacht hatte (vgl. OLG Köln NZV 1999, 436; OLG Rostock VRR 2006, 397) und zur Sicherheit darlegen, dass sich der Verteidiger auch gegenüber dem AG als zur Vertretung legitimiert ausgewiesen hat (OLG Hamm VRR 2006, 395; OLG Köln NZV 2002, 466 u. NStZ 2002, 268; vgl. dazu auch Stephan VRR 2006, 396 in der Anm. zu OLG Hamm a.a.O.).
Autor: Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
ZAP F. 21, S. 1187–1198