1 Widerrufsrecht: Anwaltsverträge mit Verbrauchern
Anwaltsverträge werden zunehmend auch "aus der Ferne" abgeschlossen, da die meisten Anwaltskanzleien heute bundesweit Mandanten vertreten. Die Entwicklung wird im Zeitalter von "Legal Tech" mit seinen Automatisierungsprozessen, massenhaften Fallbearbeitungen und der elektronischen Kommunikation auch noch weiter zunehmen. Soweit ein Anwaltsvertrag, der je nach Inhalt ein Dienstleistungs- oder Werkvertrag sein kann, ohne vorherigen persönlichen Kontakt mit dem Mandanten als Verbraucher geschlossen wird, sind Informationspflichten und Verbraucherrechte zu beachten. Einen entsprechend organisierten Vertriebsweg bezeichnet das Gesetz als Fernabsatzgeschäft (§ 312c BGB). Wird der Vertrag hingegen bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Anwalts an einem Ort geschlossen, der kein Geschäftsraum ist, z.B. auf einer Informationsveranstaltung oder einem Ortstermin, so spricht man von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (§ 312b BGB). Die Fallgruppen der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge und der Fernabsatzverträge bezeichnet der Gesetzgeber im Untertitel vor §§ 312 ff. BGB als besondere Vertriebsformen. Schon beim Maklervertrag ließ der BGH (u.a. Urt. v. 7.7.2016 – I ZR 30/15) die Besonderheiten der Dienstleistung (Erfolgsorientierung) nicht als Argument gelten, um die Vertragsart aus dem Anwendungsbereich des Fernabsatzes herauszunehmen. Insofern liegt die Entscheidung des BGH zum Anwaltsvertrag (Urt. v. 23.11.2017 – IX ZR 204/16, ZAP EN-Nr. 145/2018) auf einer Linie. Auch der höchstpersönliche Charakter der anwaltlichen Dienstleistung stellt keine fernabsatzrechtliche Ausnahme dar, so dass Anwaltsverträge bei entsprechender Sachlage widerrufen werden können.
2 Widerrufsrecht: Irreführung bei unterschiedlichen Empfängern
Unterschiedliche Unternehmensangaben in der Widerrufsbelehrung einerseits und im Muster-Widerrufsformular andererseits stellen grundsätzlich eine Irreführung des Verbrauchers dar (OLG Hamm, Urt. v. 30.11.2017 – 4 U 88/17, ZAP EN-Nr. 153/2018). Es ging um ein Angebot auf der Plattform Amazon. Der Händler gab seine eigene Anschrift und eine weitere für einen von Amazon angebotenen vereinfachten Weg der Rücksendung an. Das Gericht sah das als irreführend an, weil der Verbraucher nicht erkennen könne, welche Adresse denn zutreffend sei und weil auch nicht klar zum Ausdruck kommt, dass beide Anschriften wahlweise gelten. Hinweis: Von dem Gebrauch unterschiedlicher Adressen ist daher abzuraten. Ob zwei Adressen als kenntlich gemachte Alternative nebeneinander jeweils in der Widerrufsbelehrung und im Muster-Widerrufsformular stehen dürfen, hatte das Gericht nicht zu entscheiden.
3 Widerrufsrecht: Wertersatzanspruch nur bei korrekter Belehrung
An einem vom AG Dülmen (Urt. v. 13.3.2018 – 3 C 282/17) entschiedenen Fall lässt sich erkennen, dass die Erteilung einer gesetzeskonformen Widerrufsbelehrung (im Falle von Fernabsatzverträgen oder Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers mit einem Verbraucher geschlossen werden) nicht nur der Vermeidung von Abmahnungen dient, sondern auch für den Unternehmer eine finanzielle Absicherung im Falle einer Rückabwicklung im Widerrufsfalle bedeutet. Im Fall des AG Dülmen hatte der Kläger (Kunde) als Verbraucher beim Beklagten (Händler) in den Räumen des Klägers ein Elektromobil gekauft. Der Beklagte erteilte dem Kläger eine Widerrufsbelehrung, wonach dieser binnen 14 Tagen sein Widerrufsrecht in Textform ausüben kann. Der Kläger fuhr das Elektromobil ca. drei Wochen, insgesamt 33,5 km, erklärte sodann den Widerruf seiner Vertragserklärung und gab den Kaufgegenstand dem Beklagten mit Kratzern und verdreckt zurück. Das AG Dülmen sah den Widerruf als rechtzeitig an, da der Beklagte den Kläger falsch belehrt hatte. Der Widerruf ist nach § 355 Abs. 1 S. 3 BGB durch eindeutige Erklärung möglich, z.B. auch telefonisch. Die Belehrung "in Textform" war zu eng und damit falsch. Insofern bestand nach § 356 Abs. 3 BGB eine Widerrufsfrist von einem Jahr und 14 Tagen. Auch einen Wertersatzanspruch des Beklagten konnte das Gericht wegen der fehlerhaften Widerrufsbelehrung nicht berücksichtigen (§ 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB). Bei ordnungsgemäßer Belehrung wäre der Widerruf des Klägers hingegen verfristet gewesen. Selbst wenn der Kläger innerhalb der 14 Tagesfrist widerrufen hätte, wäre der Beklagte im Falle einer ordnungsgemäßen Belehrung mit seinem Wertersatzanspruch durchgekommen. Denn für das Testen des Elektromobils hätte der Kläger keine 33,5 km fahren und Kratzer verursachen müssen. Das liegt jenseits des zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise erforderlichen Gebrauchs der Sache.
4 Widerrufsrecht: Einkäufe auf Messen "außerhalb von Geschäftsräumen"
Über diese Fragestellung hatte der EuGH im Wege eines Vorlageersuchens in seinem Urteil (v. 7.8.2018 – C-485/17) zu entscheiden. Der EuGH verwies an das nationale Gericht zurück, das nun die Sachverhaltsumstände unter Berücksichtigung der Vorgaben des EuGH näher aufklären muss. In seinen Vorgaben äußerte sich der EuGH dahingehend, dass für die Frage, ob ein Messestand unter den Begriff "Geschäftsräume" zu subsumieren sei, das konkr...