Wie bereits erörtert, ist ein tätlicher Angriff eine mit feindseligem Willen unmittelbar auf den Körper des Beamten oder Soldaten zielende Einwirkung (Schönke/Schröder/Eser, StGB, 30. Aufl. 2019, § 114, Rn 4), wobei bei einer weiten Auslegung des Begriffs eine körperliche Berührung oder auch nur ein darauf zielender Vorsatz des Täters nicht erforderlich ist (OLG Hamm, Beschl. v. 12.2.2019 – 4 RVs 9/19, BeckRS 2019, 3129, Rn 12). Somit muss es weder zur körperlichen Verletzung kommen noch muss eine solche gewollt sein (Fischer, StGB, 66. Aufl., § 114, Rn 5; Schönke/Schröder/Eser, a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.). Dadurch wären bereits Handlungen unter der Schwelle der versuchten Körperverletzung vom Begriff des tätlichen Angriffs umfasst. So z.B. eine angedeutete Kopfnuss gegen einen Polizeibeamten, die diesen jedoch nicht treffen sollte. Gerechtfertigt wird diese Sichtweise mit der gesetzgeberischen Intention, dass der Amtsträger durch eine erhöhte Strafandrohung mehr geschützt werden soll (OLG Hamm, a.a.O.). Damit schützt § 114 StGB das individuelle Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit der Vollstreckungsbeamten und ihnen gleichgestellter Personen (Busch/Singelnstein, a.a.O., 511). Ob dies mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, wird kritisch beurteilt (BeckOK StGB/Dallmeyer, 42. Ed. 1.5.2019, § 114, Rn 2, Busch/Singelnstein, a.a.O., 511). Denn die körperliche Unversehrtheit der Vollstreckungsbeamten und ihnen gleichgestellter Personen wird mehr geschützt als die körperliche Unversehrtheit sonstiger Personen, die nur durch § 223 StGB, der eine niedrigere Strafandrohung vorsieht, geschützt wird. Der Gleichheitssatz ist jedoch erst dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (BeckOK Grundgesetz/Kischel, 41. Ed. 15.5.2019, GG, Art. 3, Rn 17). Für die Ungleichbehandlung bezüglich des Schutzes der körperlichen Unversehrtheit von Vollstreckungsbeamten und ihnen gleichgestellten Personen im Vergleich zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der sonstigen Personen leuchtet jedoch ein vernünftiger sachlicher Grund ein. Denn insb. die Vollstreckungsbeamten sind aufgrund ihrer Tätigkeit einem erhöhten Gefahrenpotenzial hinsichtlich ihrer körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt. Aber auch die Amtsträger i.S.d. § 11 Nr. 2 StGB und Soldaten der Bundeswehr sind besonders schutzbedürftig, da sie durch die Ausübung von hoheitlicher Gewalt dem Widerstand von Bürgern bzw. Dritter potenziell stärker ausgesetzt sind als sonstige Personen. Somit ist die Ungleichbehandlung mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Gegen diese weite Auslegung wird eine restriktivere Auslegung des Begriffs des tätlichen Angriffs vertreten, die den Begriff so auslegt, dass nur Handlungen erfasst werden sollten, die konkret geeignet sind, diese Rechtsgüter auch tatsächlich und nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen (Busch/Singelnstein, a.a.O., 512). Dies führt dazu, dass nur solche unmittelbar auf den Körper zielende feindselige Einwirkungen erfasst sind, die von einigem Gewicht sind (BeckOK StGB/Dallmeyer, 42. Ed. 1.5.2019, § 114, Rn 5). Dadurch sind beispielsweise die "drohend erhobene Hand" und das "Anrempeln bzw. dessen Andeutung" nicht ausreichend, um einen tätlichen Angriff anzunehmen, da sie die Erheblichkeitsschwelle unterschreiten (BeckOK StGB/Dallmeyer, 42. Ed. 1.5.2019, StGB § 114 Rn 5). Dies führt auch dazu, dass in dem obigen Fallbeispiel der angedeuteten Kopfnuss gegen einen Polizeibeamten die Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten werden würde. Zusammenfassend sollen daher bagatellhafte und leichte Widerstandshandlungen aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen werden (Busch/Singelnstein, a.a.O., 513). Als tätlicher Angriff i.S.v. § 114 Abs. 1 StGB kann daher nicht jede unmittelbar auf den Körper zielende Einwirkung in feindlicher Absicht mit körperlicher Gewalt gelten (Busch/Singelnstein a.a.O., 513). Die Einwirkung sollte nach dieser engeren Auslegung vielmehr konkret geeignet sein, das geschützte Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit tatsächlich zu beeinträchtigen und in einer Weise erfolgen, die eine gewisse Erheblichkeit erreicht (Busch/Singelnstein, a.a.O., 513). Dies muss auch vom Vorsatz des Täters umfasst sein (Busch/Singelnstein, a.a.O., 514.). Gezielte und kraftvoll ausgeführte Schläge sowie Tritte genügen jedoch den Anforderungen des restriktiv ausgelegten Tatbestandsmerkmals (BeckOK StGB/Dallmeyer, 42. Ed. 1.5.2019, § 114, Rn 5).