Im vorliegenden Fall ist der Prüfling im Rahmen der juristischen Pflichtfachprüfung vor dem Oberlandesgericht (Erstes Staatsexamen) im Rahmen der mündlichen Prüfung im Anschluss an die Vorträge zum Prüfungsgespräch erst fünf Minuten nach dessen Beginn erschienen. Das Justizprüfungsamts bei dem Oberlandesgericht erklärte die staatliche Pflichtfachprüfung, die selbstständiger Bestandteil der ersten juristischen Prüfung sei, für nicht bestanden.
Das BVerwG hat in seinem Urt. v. 27.2.2019 (6 C 3.18, GewArch 2019, 246 ff. = VwZ 2019, 890 ff. = NWVBl 2019, 278 ff. = DStR 2019, 1599 f.) die Frage beantwortet, welche Anforderungen an Sanktionsregelungen im Rahmen berufsbezogener Prüfungen zu stellen sind. Es verlangt, dass sie im Rahmen berufsbezogener Prüfungen als Ermächtigungen für Eingriffe in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufswahl der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit genügen müssten. Berufsbezogene Prüfungen sollten Aufschluss darüber geben, ob die Prüflinge über diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die einen Erfolg der Berufsausbildung und eine einwandfreie Berufsausübung erwarten ließen. Auf Grund des Gesetzesvorbehalts des Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG obliege es dem zuständigen Normgeber, den Prüfungsstoff, das Prüfungssystem, das Prüfungsverfahren sowie die Bestehensvoraussetzungen festzulegen. Dem Gesetzesvorbehalt unterfalle insb. auch jede Form der Sanktionierung des Fehlverhaltens eines Prüflings. Dieser Gesetzesvorbehalt werde konkretisiert durch das prüfungsspezifische Bestimmtheitsgebot. Danach müsse vor allem die Grenze zwischen dem Bestehen und dem Nichtbestehen einer Prüfung von dem Normgeber eindeutig gezogen sein. Dementsprechend unterlägen die Rechtsgrundlagen für die Verhängung von Sanktionen, die sich auf das Bestehen einer Prüfung auswirkten, besonders strengen Bestimmtheitsanforderungen. Sowohl das zu sanktionierende Verhalten als auch die an dieses geknüpfte Sanktionsfolge müssten so klar ersichtlich sein, dass jeder Prüfling sein Verhalten problemlos danach ausrichten und jede Gefahr des Eingriffs in sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG vermeiden könne.
Hinweis:
Das BVerwG fordert für die Sanktionierung von Pflichtverstößen, die allein im Interesse eines störungsfreien Prüfungsverlaufs unterbunden werden müssen, den Einsatz milderer Mittel.