Mit Blick auf die derzeitigen Koalitionsverhandlungen in Berlin hat der Deutsche Anwaltverein (DAV) einen Forderungskatalog zum Familienrecht aufgestellt. Er sieht hier eine Reihe „aktueller Missstände” und fordert von den Politikern „dringende Reformen”.
Der Verein erläuterte den seiner Meinung nach bestehenden Reformstau in einem Papier, das er Anfang November der Öffentlichkeit vorstellte. Die dort angesprochenen Punkte reichen vom Abstammungsrecht über das Kindschaftsrecht und verschiedene Aspekte des Unterhaltsrechts bis hin zum Versorgungsausgleich. Auch setzt sich der DAV vehement dafür ein, derzeit bestehende medizinrechtliche Verbote abzuschaffen, die nach seiner Einschätzung die Entstehung neuen Lebens behindern.
Zum Thema Abstammungsrecht schlagen die DAV-Familienrechtsexperten vor, dass sichergestellt wird, dass Kinder – unabhängig von der rechtlichen Form des Zusammenlebens in einer Familie – stets verlässlich den Elternteilen zugeordnet werden. Einem Kind sollten immer zwei Eltern zugeordnet werden. Hierbei solle es sich primär um die Personen handeln, die als „Wunscheltern” die Geburt und Zuordnung eines Kindes anstrebten. Hinsichtlich des Vaters solle der bisher in § 1592 BGB geregelte Vermutungskatalog beibehalten und ggf. noch etwas ergänzt werden. Für die Mutter solle die Regelung des § 1591 BGB ergänzt werden. Die rechtliche Elternstelle solle auch die Frau erhalten, die diese anerkenne oder im Zeitpunkt der Geburt mit der gebärenden Frau verheiratet sei. Hierdurch könnten sowohl Fälle der Eizellspende als auch der Leihmutterschaft abstammungsrechtlich im Interesse des Kindes geregelt werden.
Beim Kindschaftsrecht bemängelt der DAV die derzeitige Fokussierung auf die rechtliche Form des Zusammenlebens der Eltern. Dies werde den veränderten Lebenswelten von Familien nicht mehr gerecht. Es sei deshalb sicherzustellen, dass die elterliche Sorge auch als Folge der Anerkennung eines Kindes und der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft automatisch bei beiden Elternteilen liege. Das „Wechselmodell” als Regelfall lehnt der DAV ab. Beide Elternteile müssten sich auf den zeitlichen Rahmen der Betreuung verständigen. Gelinge dies nicht, so bedürfe es einer gerichtlichen Entscheidung hierüber. Das Maß des zu leistenden Barunterhalts solle in Zukunft abhängig sein von dem Ausmaß der Betreuungszeiten, die jeder Elternteil dem Kind widme. Flankierend schlägt der Verein die Einrichtung eines „kleinen Familiengerichts” vor, das mit Richterinnen/Richtern und kinderpsychologisch ausgebildeten Personen besetzt werden solle.
Zum nachehelichen Unterhalt macht der DAV seit Jahren Reformvorschläge, die bislang von der Politik noch nicht aufgegriffen worden sind. Im Mittelpunkt stehen hierbei die Differenzierungen zwischen dem Betreuungsunterhalt des Ehepartners und dem des nicht mit dem anderen Elternteil verheirateten Elternteils. Diese sollten nach Auffassung des DAV abgeschafft werden. Auch fordert er die Einführung eines sog. Altersvorsorgeunterhalts, der ab dem Ende der Teilhabe an den Versorgungsanrechten des Anderen bei miteinander verheirateten Eheleuten einsetzen solle.
Im Versorgungsausgleichsrecht sehen die Familienrechtsexperten trotz der jüngsten Teilreform noch Versäumnisse. So könnten derzeit Anrechte, die i.R.d. Versorgungsausgleichs bewusst verschwiegen oder vergessen worden seien, weder im schuldrechtlichen Ausgleich noch im Rahmen einer späteren Abänderung ausgeglichen werden. Hier bedürfe es einer Reparaturregelung, um einen nicht mehr umkehrbaren schwerwiegenden Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz zu verhindern.
Nicht zuletzt bemängelt der DAV die derzeitigen Verbote von Eizellen- und Embryonenspenden. Die im EmbrSchG enthaltenen Verbote für die Ärzteschaft, „mittels etablierter und risikoarmer Methoden an der Umsetzung der grundrechtlich zu gewährenden Fortpflanzungsfreiheit mitzuwirken”, seien nicht mehr zeitgemäß. Die Geburt eines Kindes dürfe nicht davon abhängen, ob ausreichende finanzielle Mittel vorhanden seien, entsprechende Eingriffsmöglichkeiten in anderen Ländern zu nutzen. Die bereits gesetzlich geregelte Samenspende solle komplementiert werden durch eine unter ärztlicher Aufsicht durchgeführte Eizellspende. Auch gegen eine Leihmutterschaft bestünden keine Bedenken, wenn sie altruistisch sei, d.h. nicht zu einem Gewinnerzielungsmarkt von Leihmüttern führe.
Nur mit weiteren Reformen, so fasst der DAV seine Forderungen zusammen, könne erreicht werden, was im Sondierungsprogramm der künftigen Koalition bereits vorgesehen sei, nämlich, dass Kinder und Jugendliche bessere Chancen erhalten, und zwar unabhängig von der sozialen Lage ihrer Eltern und der Rechtsform, in der sie zusammenleben.
[Quelle: DAV]