Das OLG Oldenburg hat zur Frage der Körperverletzung im Amt durch Vornahme eines PCR-Rachenabstriches bei Schülern auf Grundlage des InfektionsschutzG Stellung genommen (Beschl. v. 10.5.2021 – 1 Ws 141/21, StRR 7/2021, 26 m. Anm. Burhoff). Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Mutter eines Schulkindes hat Strafanzeige gegen Mitarbeiter des Gesundheitsamtes erstattet. Das Kind der Mutter sowie Klassenkameraden seiner 4. Klasse hatten Kontakt zu einem Corona-positiv getesteten Kind. Nachdem das Gesundheitsamt hiervon Kenntnis erlangt hatte, führte es am nächsten Morgen in dieser Klasse einen Schnelltest bei allen Schülerinnen und Schülern durch. Die Mutter hat den zuständigen Mitarbeiter des Gesundheitsamts wegen Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB) angezeigt. Sie legte dazu ein Attest einer Allgemeinärztin vor, nach dem ihr Kind durch die Testung u.a. eine schwere psychische Traumatisierung erlitten haben soll. Die Staatsanwaltschaft lehnte eine Strafverfolgung ab und begründete dies damit, dass kein hinreichender Tatverdacht für eine Körperverletzung vorliege. Gegen die Einstellung des Verfahrens hat die Mutter Beschwerde zur Generalstaatsanwaltschaft eingelegt, die die Entscheidung der Staatsanwaltschaft bestätigte und ebenfalls eine Anklageerhebung gegen den Gesundheitsamtsmitarbeiter ablehnte. Dagegen hat die Mutter Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172 StPO) gestellt. Das OLG hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen, dabei aber auch zur Begründetheit der Entscheidung Stellung genommen.
Das OLG Oldenburg (a.a.O.) hat mit der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft einen hinreichender Tatverdacht bezüglich einer Körperverletzung im Amt nach § 340 StGB oder anderer Delikte verneint. Denn angesichts des Ermittlungsergebnisses, wonach die Gesundheitsbehörde erst am Morgen des Schultages, an welchem der Schnelltest durchgeführt wurde, Kenntnis davon erlangt hatte, dass ein Kind, mit welchem auch der Antragsteller zuvor gemeinsam den Unterricht besucht hatte, positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet worden war, habe die Gesundheitsbehörde nach § 25 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 IfSG den Rachenabstrich bei dem Kind der Mutter unverzüglich in der Schule durchführen dürfen. Diese Maßnahme sei auch geeignet (vgl. BayVGH, Beschl. v. 8.9.2020 – 20 NE 20.2001) und verhältnismäßig (vgl. VG Augsburg, Beschl. v. 14.10.2020 – Au 9 S 20.1967; Beschl. v. 20.5.2020 – Au 9 S 20.852), um einer weiteren möglichen Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 entgegen zu wirken.
Dem stehe auch – so das OLG (a.a.O.) – das vom Antragsteller/Kind vorgelegte (undatierte) ärztliche Attest nicht entgegen. Denn der Beweiswert dieses Attestes sei denkbar gering, weil sich dieses fast ausschließlich in der Wiedergabe der vom Antragsteller und seiner Mutter gegenüber der Ärztin mitgeteilten Sach- und Befindlichkeitslage erschöpfe, sodass es – den Anfangsverdacht des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 278 StGB begründend (vgl. Fischer, a.a.O., § 278 Rn 4 m.w.N.) – bereits mehr als fraglich erscheine, wie die ausstellende Fachärztin (für Allgemeinmedizin!) durch einen einzigen Vorstellungstermin des Antragstellers zur Diagnose einer „schweren psychischen Traumatisierung, depressiven Phasen (anhaltendem Weinen), aggressivem Verhalten, Schlafstörungen, Alpträumen und Unsicherheit” gelangt sein will, die der Antragsteller „durch die Testung des Gesundheitsamts und das Verhalten der (...) Schule” erlitten haben soll.
Aber selbst bei einer gegebenen Traumatisierung des Antragstellers wäre nach Auffassung des OLG (a.a.O.) der durchgeführte Rachenabstrich verhältnismäßig, da im Gegensatz dazu die Schäden, die bei einer weiteren und v.a. ungebremsten Verbreitung des Virus und einem deutlichen Ansteigen der Erkrankungs- und Todeszahlen für eine sehr große Zahl von Menschen zu gewärtigen wären, von deutlich höherem Gewicht seien. Daher müsse auch das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der getroffenen Untersuchungsanordnung überwiegen. Bei den widerstreitenden Grundrechten des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG habe deshalb das Individualgrundrecht der von der Untersuchungsanordnung betroffenen Einzelperson hinter dem überragenden Schutzgut der menschlichen Gesundheit im Gesamten zurückzutreten (so VG Augsburg, Beschl. v. 20.5.2020 – Au 9 S 20.852; ebenso Beschl. v. 14.10.2020 – Au 9 S 20.1967, gerade auch unter Berücksichtigung einer Traumatisierungslage des Untersuchten).
Hinweis:
Eine zutreffende Entscheidung mit dem zudem mehr als deutlichen Hinweis des OLG an die Staatsanwaltschaft, gegen die Ärztin, die das im Verfahren vorgelegte Attest ausgestellt hatte, ein Verfahren wegen des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 278 StGB einzuleiten. Den erforderlichen Anfangsverdacht will das OLG offenbar bejahen.
Ob allerdings selbst bei einer gegebenen Traumatisierung immer noch ohne Einschränkung die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu bejahen wäre, wird man sicherlich von der Pandemielage und...