Die häufigste Form des gemeinschaftlichen Testaments ist das sog. Berliner Testament, in dem sich die Ehegatten im Wege der Einheitslösung für den ersten Todesfall gegenseitig zu alleinigen Vollerben einsetzen. Nach der Einheitslösung geht der Nachlass des Erstversterbenden in das Vermögen des überlebenden Ehegatten über, bevor der gemeinsame Nachlass nach dem Tod des Längstlebenden auf den bzw. die Schlusserben übergeht, i.d.R. die gemeinsamen leiblichen Kinder der Ehegatten. Der Schlusserbe ist ausschließlich der Erbe des überlebenden Ehegatten. Mit dem Berliner Testament wird konsequent die Vorstellung eines gemeinsamen Ehegattenvermögens in die Wirklichkeit umgesetzt, wonach der überlebende Ehegatte als unbeschränkter Vollerbe (im Gegensatz zum Vorerben oder Nießbrauchsberechtigten) über das gemeinsame Vermögen verfügen kann, bevor es auf die Schlusserben übergeht und diese in den Genuss des verbleibenden Nachlasses des Letztversterbenden gelangen, der wirtschaftlich dann auch den Nachlass des Erstversterbenden, soweit nicht verbraucht, umfasst (Damrau/Tanck/Klessinger, Praxiskommentar Erbrecht, § 2269 BGB Rn 10). Die Schlusserbeneinsetzung bzw. die Bestimmung von Ersatzerben sind bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments nicht zwingend. Eine entsprechende Anordnung sollte aber getroffen werden, damit keine Zweifel im Hinblick auf den gemeinsamen Willen der Erblasser entstehen können.
Die Errichtung des Berliner Testaments kann auch in drei verschiedenen Urkunden in zeitlichem Abstand erfolgen, wie eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg jüngst zeigt:
a) Errichtung eines Berliner Testaments in drei Urkunden
aa) Sachverhalt (OLG Brandenburg BeckRS 2023, 1627)
Die Eheleute errichteten im Jahre 1993 ein Testament, in dem sie verfügten:
Zitat
„An unsere Kinder, N ... + A ... T ... ! Ihr Lieben, sollte uns etwas zustoßen möchten Eure Eltern verfügen, dass Alles, was wir besitzen, Ihr Euch gütlich teilt. Haltet zusammen, helft euch und lasst nie Neid zwischen Euch aufkommen.”
Daraufhin errichteten sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann im Jahre 2002 im Abstand von nur wenigen Tagen jeweils ein handschriftliches Testament und verfügten:
Zitat
„Ich, U ... T ... geb. D ... geb. Datum ... 1941, verfüge als alleinigen Erben meinen Ehemann H ... T ..., geb. Datum ... 1941.”
„Ich, H ... T ..., geb. Datum ... 1941 verfüge als alleinigen Erben meine Ehefrau U ... T ..., geb. Datum ... 1941.”
Im Jahre 2014 ergänzten die Eheleute ihr Testament wie folgt:
Zitat
„Nachtrag zum Testament! Hiermit verfügen wir: H ... + U ... T ... das unser Besitz erst nach unser „beiden” Ableben an die Erben, A ... + N ... geteilt wird. Vor dieser Zeit wird kein Pflichtteil ausgezahlt. Ausnahme nur im Notfall und dann über einen Notar.”
Die Erblasserin verstarb im Jahre 2022. Der überlebende Ehegatte beantragte vor dem zuständigen Nachlassgericht als Vollerbe einen Alleinerbschein. Die gemeinsame Tochter der Eheleute widersprach der Antragstellung mit der Begründung, dass der Antragsteller lediglich Vorerbe und zusammen mit ihr Nacherbe sei. Mit dem Nachtrag aus 2014 sei Vor- und Nacherbschaft angeordnet worden. Das zuständige Nachlassgericht gab dem Antrag des überlebenden Ehegatten statt und erteilte einen Alleinerbschein. Hiergegen wurde Beschwerde eingelegt.
bb) Entscheidung
Die Beschwerde blieb erfolglos. Die gegenseitige Erbeinsetzung und die Schlusserbeneinsetzung durch die Ehegatten müssen nicht zwingend in einer Urkunde erfolgen; möglich ist es auch, diese Regelungen in verschiedenen Urkunden in zeitlichem Abstand zu treffen, sofern der Wille der Testierenden dahin geht, nunmehr beide Verfügungen als eine Einheit gelten zu lassen. Im Weiteren wurde durch die Auslegung des Testaments festgestellt, dass die Eheleute die Einheitslösung verfügt haben. Die Eheleute haben eine Teilung ihres Vermögens – hier ihres Besitzes – nach dem Ableben von beiden gewollt. Die Eheleute seien von einer Verschmelzung ihrer Vermögensmassen ausgegangen und haben die Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Erstverstorbenen unter eine Pflichtteilsstrafklausel gestellt. Letzteres ergibt nur Sinn, wenn ein Berliner Testament mit der Einsetzung der Kinder als Schlusserben gewollt gewesen ist.
b) Berliner Testament als Formulierung in einem gemeinschaftlichen Testament
aa) Sachverhalt (OLG Celle ErbR 2023, 135 ff. m. Anm. Kampmann)
Der Erblasser E war seit 1971 mit seiner Ehefrau A verheiratet. Aus der Ehe sind drei Abkömmlinge hervorgegangen. Im Jahre 2020 besprachen die Eheleute mit einem Notar ihre Testamentserrichtung. Im Anschluss übersandte der Notar den Eheleuten einen Urkundsentwurf. Der Entwurf sah eine gegenseitige Erbeinsetzung der Eheleute im ersten Erbfall vor. Als Schlusserben sollten die drei Abkömmlinge zu gleichen Teilen eingesetzt werden. Die Verfügungen sollten bindend sein, wobei zugunsten des überlebenden Ehegatten eine Abänderungsklausel dahingehend enthalten war, dass der überlebende Ehegatte die Schlusserbfolge ändern durfte. Unabhängig von dem übersandten Entwurf verfügten die Eheleute im Jahre 2021:
Zitat
„E und A wollen unseren Restbesitz durch ein Berliner Testament vererben.”
Die Verfügung von Todes wegen wurde eigenhändig geschrieben und unterschrieben. A unterzeichnete das Testame...