Die Unterhaltssituation beim sog. Residenzmodell nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB lässt sich wie folgt darstellen:
- Ein Elternteil betreut das minderjährige Kind.
- Der andere Elternteil zahlt Barunterhalt.
- Der Betreuungselternteil muss nicht zahlen.
- Der Betreuungselternteil hat keine Erwerbsobliegenheit gegenüber dem Kind.
- Aus der Betreuungstätigkeit kann sich für diesen Elternteil auch eine Einschränkung der Erwerbspflicht auf der Ebene des Ehegattenunterhalts ergeben.
Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Beschl. v. 5.11.2014 – XII ZB 599/13, FamRZ 2015, 236; BGH, Beschl. v. 11.1.2017 – XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437) stellt sich die – gesetzlich nicht geregelte – Unterhaltslage beim Wechselmodell dagegen anders dar:
- Kein Elternteil ist „Betreuungselternteil”.
- Kein Elternteil ist von Barunterhaltspflicht befreit.
- Kein Elternteil ist von Erwerbsobliegenheit befreit.
- Beide Eltern sind erwerbspflichtig dem Kind gegenüber.
- Beide Eltern sind verschärft haftbar gem. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB dem Kind gegenüber.
- Es können sich auch Auswirkungen auf der Ebene des Ehegattenunterhalts ergeben.
Daher ist regelmäßig von einer vollschichtigen Erwerbsobliegenheit auszugehen (8 Std. täglich, 40 Std. pro Woche). Hinzu kommt die verschärfte Haftung beim Minderjährigenunterhalt, die eine zusätzliche Nebentätigkeitsobliegenheit beinhaltet, wenn sonst der Mindestunterhalt nicht gezahlt werden kann und dem unterhaltspflichtigen Elternteil nur den niedrigen Selbstbehalt von 1.370 EUR statt 1.650 EUR (2023) zugesteht. Der Unterhaltspflichtige trägt die Darlegungslast für seine Behauptung, diesen Anforderungen nicht genügen zu können.
In der Praxis wird vielfach als Einwand gegen eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit vorgebracht „Ich kann nicht voll arbeiten, muss doch das Kind betreuen” oder „Ich kann nicht jede Woche anders arbeiten”. Dieser Einwand verfängt jedoch nicht:
Eher relevant sein kann der Hinweis auf das Erfordernis einer Übergangsfrist, denn allgemein wird bei Entstehen einer Erwerbsobliegenheit eine Übergangszeit zugebilligt, die fallabhängig zwischen drei bis sechs Monaten betragen kann. So hat der BGH (Beschl. v. 11.1.2017 – XII ZB 565/15, FamRZ 2017, 437) bei der Vereinbarung des Wechselmodells im August 2012 eine Übergangszeit bis einschließlich Dezember 2012 zugebilligt; das OLG Brandenburg (Beschl. v. 20.7.2022 – 13 UF 149/20) eine Übergangszeit von acht Monaten bei der Betreuung eines Babys. Auch hier ist anwaltlicher Sachvortrag erforderlich; die Darlegungslast trägt der jeweilige Elternteil, der diesen Einwand durchsetzen will.
Hinweise:
Bei der erforderlichen Abwägung im Einzelfall können folgende Gesichtspunkte aus den unterschiedlichen Fallgestaltungen Bedeutung gewinnen: