Nach § 41a Abs. 1 S. 1 SGB II muss der SGB-II-Träger über einen Antrag auf Leistungen zum Lebensunterhalt vorläufig „entscheiden, wenn
- zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Geld- und Sachleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist und die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen oder
- ein Anspruch auf Geld- und Sachleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist”,
z.B. wenn das Einkommen bei leistungsberechtigten Personen schwankt. Der SGB-II-Träger muss über die Leistung abschließend entscheiden, wenn die vorläufig bewilligte nicht der tatsächlich zustehenden Leistung entspricht oder wenn die leistungsberechtigte Person dies beantragt (§ 41a Abs. 3 SGB II). Stellt sich später heraus, dass die abschließende Entscheidung bereits bei ihrem Erlass rechtswidrig war, kann oder muss sie nach Maßgabe von § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. §§ 44 ff. SGB X zurückgenommen werden.
In der hier zu besprechenden Entscheidung war streitig, ob die Rücknahme einer abschließenden Entscheidung nach § 41a SGB II, die bei einem Teil der Monate zu Nachzahlungen, bei anderen Monaten zu Erstattungen führt, einheitlich auf § 44 SGB X gestützt werden darf und ob die Nachzahlungs- und Erstattungsbeträge saldiert werden dürfen. Das BSG verneinte beides in seinem Urt. v. 20.9.2024 – B 4 AS 6/22 R, juris (hierzu Schweitzer, NZS 2024, 512).
Der Beklagte bewilligte den Klägern zu 1 und 2 und ihrer Tochter (Klägerin zu 3) die beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nur vorläufig, weil die Klägerin zu 2 schwankendes Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit hatte. Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein. Während des Widerspruchsverfahrens entschied der Beklagte abschließend über die Leistungen. Er rechnete das tatsächlich monatlich zugeflossene Einkommen und Einmalzahlungen, die er auf sechs Monate verteilte, an. Hierbei legte er kein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass für April 2016 kein Anspruch bestand. Für die Monate Mai bis September 2016 zahlte er Leistungen nach. Die Widersprüche wies er ab. Hiergegen klagten die Kläger. Während des Klageverfahrens nahm der Beklagte die abschließende Entscheidung nach § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X durch Bescheid v. 8.11.2019 zurück und setzte die Leistungen – dieses Mal unter Zugrundelegung des monatlichen Durchschnittseinkommens – neu fest. Die sich nach seinen Berechnungen ergebenden höheren Leistungsansprüche für die Monate April und Mai und die Überzahlungen für die Monate Juni bis September 2016 saldierte er. Die noch ausstehenden Leistungen zahlte er aus. Gegen die Rücknahmen und Neufestsetzung und die Saldierung richtete sich zuletzt die Klage. Sowohl die Klage als auch die Berufung blieben ohne Erfolg. Mit der Revision rügten die Kläger, dass der Beklagte die Rücknahme nicht auf die §§ 45, 48 SGB X, sondern auf § 41a Abs. 6 SGB II stützte.
Fraglich war bereits die Rechtsgrundlage der Rücknahme der abschließenden Entscheidung. Das LSG legte seiner Entscheidung, wie bereits der Beklagte, § 44 SGB X zugrunde, weil nach der Saldierung ein Restanspruch der Kläger verblieb. Dem folgte das BSG nicht. Das BSG entschied, dass wegen des im SGB II geltenden Monatsprinzips (st. Rspr. des BSG, so etwa BSG, Urt. v. 29.3.2022 – B 4 AS 24/21 R, juris Rn 23 ff.; hierzu Sartorius/Winkler, ZAP 2023, 445, 447) monatsweise zu prüfen ist, auf welche Rechtsgrundlage die Rücknahmeentscheidung gestützt wird. Hieran ändert § 41a Abs. 4 S. 1 SGB II a.F. nach den Ausführungen des BSG nichts.
Hinweis:
Nach dieser durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht v. 26.7.2016 (BGBl 2016 I, S. 1824) eingeführten zwischen dem 1.8.2016 und dem 31.3.2021 geltenden Vorschrift musste der abschließenden Feststellung das durchschnittliche Einkommen im Bewilligungszeitraum zugrunde gelegt werden. Die Norm diente der Verwaltungsvereinfachung, löste aber erhebliche Rechts- und Anwendungsprobleme aus, sodass mit ihr der Gesetzeszweck nicht erreicht werden konnte. Sie wurde deshalb durch das Sozialschutz-Paket-III v. 10.3.2021 (BGBl 2021 I, S. 335) wieder aufgehoben. Siehe auch Apel, in: Winkler (Hrsg.), SGB II, 3. Aufl. 2024, § 41a Rn 44 ff.).
Dies folge nach den Ausführungen des BSG bereits aus dem Wortlaut dieser Norm, in dem ausdrücklich auf § 41a Abs. 3 S. 1 a.F. Bezug genommen wird. Danach sei der monatliche Leistungsanspruch abschließend festzustellen.
Ein Verwaltungsakt nach § 45 SGB X ist oder kann zurückgenommen werden, wenn er bereits bei seinem Erlass rechtswidrig war. Nach § 48 SGB X soll oder muss er aufgehoben werden, wenn nach seinem Erlass Änderungen eingetreten sind, die zu seiner Unrichtigkeit führten. Dies musste bezüglich des die abschließende Entscheidung v. 9.5.2017 ersetzenden Bescheids v. 8.11.20...