Im Gegensatz zu § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO stellt die Steuerhinterziehung in der Tatvariante des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ein Sonderdelikt dar (vgl. BGH, Beschl. v. 28.3.2007 – 5 StR 558/06, wistra 2007, 261). Täter kann damit nur derjenige sein, den eine entsprechende steuerliche Erklärungs- bzw. Offenbarungspflicht trifft.
a) Verletzung von Erklärungspflichten
Der Täter einer Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO muss die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lassen. Pflichtwidrig unterlassen kann aber nur der, den eine entsprechende Offenbarungspflicht trifft. Im Steuerstrafrecht ergeben sich die Handlungspflichten im Wesentlichen aus gesetzlich normierten Erklärungspflichten, insbesondere aus § 149 AO in Verbindung mit Einzelsteuergesetzen (z.B.: § 25 Abs. 3 EStG, § 31 KStG, § 14a GewStG, § 18 UStG, u.v.m.). Praxisrelevant ist auch die Pflicht zur Anzeige und Berichtigung von nachträglich als unrichtig erkannten Erklärungen (§ 153 AO). Weitere Handlungspflichten ergeben sich z.B. aus §§ 139, 200 AO.
§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist erfüllt, wenn der Steuerpflichtige die Abgabefrist für seine Erklärung verstreichen lässt. ESt-, KSt-, GewSt- und USt-Jahreserklärung sind daher grundsätzlich am 31.5. des dem Veranlagungszeitraums nachfolgenden Kalenderjahres abzugeben.
Hinweis:
Die allgemeine Fristverlängerung nach § 109 Abs. 1 AO durch Inanspruchnahme eines Steuerberaters gilt dabei nur, wenn der Auftrag zur Anfertigung der Erklärung bereits erteilt ist. Die bloße Möglichkeit noch einen Steuerberater zu beauftragen reicht nicht aus (BGH, Beschl. v. 19.6.2013 – 1 StR 6/13, wistra 2013, 430; Klein/Jäger, § 370 Rn. 72b).
Nach der BGH-Entscheidung v. 9.4.2013 (1 StR 586/12, StraFo 2013, 301) können sich Handlungspflichten auch aus den allgemeinen Garantenpflichten (§ 13 StGB), also etwa aus Ingerenz, Übernahme und Gefahrgemeinschaft, ergeben.
Die sich ergebende Pflichtenstellung ist kein persönliches Merkmal i.S.d. § 28 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Urt. v. 25.1.1995 – 5 StR 491/94, BGHSt. 41, 1; Rolletschke/Kemper, § 370 Rn. 120), so dass Tatbeteiligte, die selbst nicht die Pflichtenstellung innehaben, keine Strafrahmenverschiebung erhalten.
Die betreffenden Offenbarungs-/Erklärungspflichten können natürlichen wie juristischen Personen obliegen. Handelt es sich bei dem Erklärungsverpflichteten um eine natürliche Person, so trifft sie die Pflicht höchstpersönlich. Ist eine juristische Person erklärungspflichtig, so hat das entsprechende vertretungsberechtigte Organ für die juristische Person zu handeln (§ 34 Abs. 1 S. 1 AO, z.B. Geschäftsführer einer GmbH, Vorstand einer AG). Dabei bleibt ein formell bestellter Geschäftsführer auch dann für die Erfüllung der steuerlichen Erklärungspflichten verantwortlich, wenn er weder Drahtzieher noch wirtschaftlicher Nutznießer war und nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat (Strohmann-Fälle; vgl. BGH, Beschl. v. 14.4.2010 – 1 StR 105/10, PStR 2010, 130).
Sind mehrere Mitgeschäftsführer bestellt und ist einer (intern) mit der Regelung der steuerlichen Angelegenheiten betraut, so treffen jeden Mitgeschäftsführer die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft in eigener Person (§ 34 Abs. 1 S. 1 AO, Grundsatz der Gesamtverantwortung, § 114 HGB; BFH, Urt. v. 23.6.1998 – VII R 4/98, BStBl II 1998, S. 761). Erklärungspflichtig ist nicht nur der rechtsgeschäftlich bestellte, sondern auch der sog. faktische Geschäftsführer (§ 35 AO; vgl. BGH, Urt. v. 23.3.1994 – 5 StR 38/94, wistra 1994, 228). Faktischer Geschäftsführer ist, wer ohne dazu förmlich bestellt oder im Handelsregister eingetragen zu sein, im Einverständnis der Gesellschafter die Stellung eines Geschäftsführers tatsächlich wahrnimmt. Von faktischer Geschäftsführung ist auszugehen, wenn der faktische Geschäftsführer sowohl betriebsintern als auch nach außen wesentliche Dispositionen vornimmt und er i.Ü. auf sämtliche Geschäftsvorfälle bestimmenden Einfluss nimmt (LG Göttingen, Beschl. v. 11.12.2007 – 8 KLs 1/07, wistra 2008, 155).
Unterläuft der Finanzbehörde ein Fehler, der nicht auf ein pflichtwidriges Verhalten des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist, und unterlässt es der Steuerpflichtige, die Finanzbehörde darauf aufmerksam zu machen, so handelt er nicht tatbestandsmäßig. Ihn trifft keine Rechtspflicht, die Finanzbehörde auf ihren Fehler aufmerksam zu machen.
b) In Unkenntnislassen der Finanzbehörden
Die Offenbarungs-/Erklärungspflichten bestehen gegenüber der zuständigen "Finanzbehörde", d.h., es muss die Unkenntnis des zuständigen Finanzbeamten beseitigt werden.
c) Möglichkeit der Erfolgsverhinderung/Unzumutbarkeit
Da es sich bei § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO um ein Unterlassungsdelikt handelt, muss die Erfüllung der Handlungspflicht möglich und zumutbar sein. Bei Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der Pflichterfüllung entfällt die Tatbestandsmäßigkeit. Der Unterlassungstäter muss die Möglichkeit zur Verhinderung des Taterfolgs haben, da Unmögliches nicht verlangt werden kann. Im Steuerstrafrecht kann diese Einschränkung jedoch keine weitergehende Bedeutung erlangen. Mangels Buchführung kann es einem Gewerbetreibenden zwar tatsächlich ...