In seinem Urteil vom 20.4.2016 (B 8 SO 25/14 R) stellte das BSG Maßstäbe zur Bestimmung der häuslichen Ersparnis auf, auf die gem. § 92 Abs. 2 S. 3 SGB XII der Kostenbeitrag für die in § 92 Abs. 2 S. 1 SGB XII genannten Leistungen (teilweise) zu beschränken ist.
Erstens darf der Berechnung der häuslichen Ersparnis stets nur eine tatsächliche, keine fiktive Ersparnis zugrunde gelegt werden: Der Sozialhilfeträger (SH-Träger) muss prognostisch schätzen, welche Aufwendungen für den Lebensunterhalt die leistungsberechtigte Person oder die anderen Einsatzpflichtigen durch die Einrichtungsaufnahme tatsächlich ersparen. Dabei muss er auch prüfen, ob die leistungsberechtigte Person überhaupt in den Haushalt der Einsatzpflichtigen aufgenommen worden wäre, wenn sie nicht in der stationären Einrichtung wäre. Eine abstrakt-generelle Bestimmung des Kostenbeitrags anhand des Einkommens der Einsatzpflichtigen – wie sie derzeit aber praktiziert wird – verbietet sich (Rn 25 f.). Bei dieser prognostischen Schätzung ist (wohl) getrennt nach den in § 27b Abs. 1 S. 2 SGB XII genannten Bedarfen (Regelbedarf, zusätzliche Bedarfe, Aufwendungen für Unterkunft und Heizung) vorzugehen (Rn 27 f.).
Zweitens ist die häusliche Ersparnis auf die Höhe des Rechenpostens nach § 27b Abs. 1 S. 2 SGB XII gedeckelt: Die festgestellte häusliche Ersparnis darf nicht höher sein als die Summe der dort genannten Bedarfe. Nur so wird – so das BSG – verhindert, dass Eltern stationär untergebrachter behinderter Kinder zu einem höheren Kostenbeitrag herangezogen werden als Eltern, deren Kinder ambulante Leistungen beziehen (Rn 27). Nicht ausdrücklich beantwortet das BSG dabei die Frage, ob für die verschiedenen in § 27b Abs. 1 S. 2 SGB XII genannten Bedarfe jeweils getrennte Obergrenzen gelten; der Duktus des Urteils spricht allerdings eher dagegen.
Drittens müssen die Einsatzpflichtigen ohne Privilegierung stets zum weiteren notwendigen Lebensunterhalt nach § 27b Abs. 2 SGB XII beitragen, also zu den Leistungen für Kleidung und zum angemessenen Barbetrag. Dies folgt für das BSG (Rn 23) aus dem Vergleich der Wortlaute von § 92 Abs. 2 S. 3 SGB XII ("... in der Einrichtung erbrachten Lebensunterhalts ...") und § 27b Abs. 1 S. 1 SGB XII ("... den in der Einrichtung erbrachten und den weiteren notwendigen Lebensunterhalt ...") sowie der Systematik.
Schließlich weist das BSG darauf hin, dass ein Kostenbeitrag ohnehin nur bei Vorliegen der Voraussetzungen für das Brutto-Prinzip nach § 92 Abs. 1 S. 1 SGB XII in Betracht kommt (Rn 18). Dieses Brutto-Prinzip ist eine Privilegierung bei bestimmten Eingliederungshilfeleistungen: Wer in einer stationären Einrichtung, in einer Tageseinrichtung oder ärztliche oder ärztlich verordnete Eingliederungshilfeleistungen erhält, bekommt diese auch dann in vollem Umfang vom SH-Träger, wenn ihm oder der Einsatzgemeinschaft zuzumuten ist, einen Teil der Leistungen selbst aus Einkommen oder Vermögen aufzubringen. Anschließend setzt der SH-Träger nach § 92 Abs. 1 S. 2 SGB XII einen Kostenbeitrag fest. Für andere (z.B. ambulante nichtärztliche) Leistungen oder dann, wenn die Deckung der gesamten Bedarfe aus eigenem Einkommen oder Vermögen der Einsatzpflichtigen zuzumuten ist, gilt dieses Brutto-Prinzip nicht. Gewährt der SH-Träger trotzdem Leistungen nach dem Brutto-Prinzip, ist dies rechtswidrig. Der SH-Träger kann dann keinerlei Kostenbeitrag festsetzen; die Leistungen können nur nach § 45 SGB X zurückgefordert werden. Freilich darf der SH-Träger insbesondere die Frage der Bedarfsdeckung aus ex-ante-Sicht beurteilen.
Praxishinweise:
Das BSG-Urteil eröffnet bei Kostenbeitragsbescheiden mehrere Angriffspunkte.
- Zunächst ist stets zu überprüfen, ob für die konkrete Leistung wirklich das Brutto-Prinzip des § 92 Abs. 1 S. 1 SGB XII gilt. Ist das nicht der Fall – weil z.B. den Leistungsberechtigten und den übrigen Einsatzpflichtigen die Aufbringung der gesamten Mittel zur Bedarfsdeckung zumutbar ist –, ist der Bewilligungsbescheid rechtswidrig, so dass ein Kostenbeitrag dafür nach ständiger Rechtsprechung nicht in Betracht kommt. Die Bewilligung kann dann vielmehr nur nach § 45 SGB X zurückgenommen werden.
- Angreifbar ist unter Umständen auch die Auswahl eines von mehreren gesamtschuldnerisch haftenden Einsatzpflichtigen: Hier lässt das BSG noch offen, ob das Sozialamt Ermessen ausüben muss.
- Bei der Bestimmung der häuslichen Ersparnis selbst sehen die Sozialhilferichtlinien mehrerer Bundesländer (z.B. SHR BW Nr. 92.07) schließlich weiterhin eine abstrakte Berechnung anhand der Höhe des den theoretischen häuslichen Bedarf für den Lebensunterhalt übersteigenden Einkommens vor, die zudem nicht auf die Höhe des Rechenpostens nach § 27b Abs. 1 S. 1 SGB XII beschränkt sind, sondern diesen im Einzelfall übersteigen können. Weil der Erlass des Kostenbeitragsbescheids gem. § 92 Abs. 1 S. 2 SGB XII eine nach Grund und Höhe gebundene Entscheidung ist, führen freilich Fehler des Sozialamts bei der Berechnung des Kostenbeitrags nur dann sicher zum Erfolg in der ...