Im SGB VI können die Anspruchsvoraussetzungen mehrerer Renten vorliegen. So sind z.B. immer auch die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (Rente wg. teilw. EM) erfüllt, wenn ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (Rente wg. v. EM) besteht. Konkurrenzen mehrerer Renten löst § 89 SGB VI auf: Es besteht nur ein Anspruch auf die höchstrangige Rente, die anderen werden verdrängt.
In einem BSG-Fall (BSG, v. 7.4.2016 – B 5 R 26/15 R) hatte die DRV eine Rente wg. teilw. EM endgültig bewilligt und hinzugefügt, dass noch ein Anspruch auf Rente wg. v. EM bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts geprüft werde. Mit der Bewilligung der befristeten Rente wg. v. EM "anstelle" der unbefristeten Rente wg. teilw. EM erklärte sie, sie leiste nun nur die höhere Rente. Aus dem Nachzahlungsanspruch der Rente wg. v. EM beglich sie Erstattungsansprüche anderer Träger; der Restbetrag war geringer als die bis dahin ausgezahlte Rente wg. teilw. EM. Später hob sie die Rentenbewilligung wg. teilw. EM gestützt auf § 48 SGB X rückwirkend zum Rentenbeginn auf und forderte die Differenz von der Versicherten.
Das BSG gab der hiergegen gerichteten Klage statt: Die Beklagte habe durch die bestandskräftig gewordene Formulierung, sie leiste die Rente "anstelle" der früher gewährten, den früheren Bewilligungsbescheid bindend für die Zukunft aufgehoben. Für die Vergangenheit stehe ihr kein Erstattungsanspruch nach § 42 Abs. 2 S. 2 SGB I zu, weil sie die Vorläufigkeit der Bewilligung nicht deutlich gemacht habe. Beschleunigungsgebote hätten keinen Einfluss auf Inhalte von Verwaltungsverfahren.
Auch § 50 SGB X greife nicht, weil weder § 48 SGB X noch § 45 SGB X einschlägig seien. Die nachträgliche Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung sei keine wesentliche Änderung der Verhältnisse, weil die Anspruchsvoraussetzungen bereits bei der Bewilligung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vorgelegen hätten, auch wenn die Beklagte erst später hiervon eine sichere Überzeugung erlangte. Weil § 45 SGB X im Unterschied zu § 48 SGB X Ermessen voraussetze, könne die Aufhebung nicht auf § 45 SGB X gestützt werden. Zudem lägen die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 S. 3 oder Abs. 3 S. 2 SGB X für eine Aufhebung für die Vergangenheit nicht vor.
Praxishinweise:
Bescheide nach §§ 44 ff. SGB X sind sehr fehleranfällig und müssen daher stets sorgfältig geprüft werden. Hier hat das BSG die Frage, ob der Aufhebungs- und Rückforderungs-VA schon wegen Verstoßes gegen die Anhörungspflicht aufzuheben war, offen gelassen. Anders als im allg. Verwaltungsrecht ist im SGB X das Unterlassen der Anhörung nicht unbeachtlich (§ 42 S. 2 SGB X). Die Anhörung kann aber bis zum Ende des LSG-Verfahrens nachgeholt werden.