Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer durch Betriebsvereinbarung (BV) geregelten Altersgrenze. Der Text lautete auszugsweise wie folgt:
Zitat
§ 2 Beendigung bzw. Ruhen von Arbeitsverhältnissen
Mit Inkrafttreten dieser Betriebsvereinbarung gelten für alle Arbeitnehmer folgende Regelungen:
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Das Arbeitsverhältnis endet ohne Kündigung mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Altersgrenze für eine Regelaltersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung (derzeit §§ 35, 235 SGB VI) ohne Abschläge erreicht hat und diese auch durch einen ihm zustehenden Anspruch beziehen kann, unabhängig davon, ob ein entsprechender Rentenantrag bereits gestellt wurde. (...) |
Die Beklagte teilte dem im Oktober 1948 geborenen Kläger Anfang September 2013 mit, sein Arbeitsverhältnis ende aufgrund der vorstehend wiedergegebenen Regelung mit Ablauf des 31.12.2013. Der Kläger hat am 9.1.2014 Befristungskontrollklage nach § 17 S. 1 TzBfG erhoben mit der Feststellung, das Arbeitsverhältnis der Parteien ende nicht aufgrund der Befristung in § 2 Nr. 1 der Betriebsvereinbarung mit Ablauf des 31.12.2017. Die Revision der Beklagten gegen das stattgebende Urteil des Berufungsgerichts blieb erfolglos (BAG, Urt. v. 21.2.2017 – 1 AZR 292/15, NJW 2017, 1779 m. Anm. Kock).
Nach ständiger BAG-Rechtsprechung können Betriebsvereinbarungen eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze bestimmen. Allerdings müssen derartige Altersgrenzen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG beachten (wonach Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer BV sein können, es sei denn, ein Tarifvertrag lasse den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zu). Ferner muss die BV mit höherem Recht vereinbar sein (§ 75 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 BetrVG.). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist gerichtlich voll überprüfbar (s. bereits BAG NZA 2016, 54).
Nach § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Die Betriebsparteien sind beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen gem. § 75 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BetrVG zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte verpflichtet, wozu die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer gehört. Bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen schützen seit dem 1.1.2001 die Bestimmungen des TzBfG vor einer unangemessenen Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG. § 22 Abs. 1 TzBfG verbietet ein Abweichen zu Ungunsten der Arbeitnehmer von den zwingenden Regelungen in § 14 TzBfG. Demzufolge bedürfen Befristungsregelungen in Betriebsvereinbarungen zu ihrer Wirksamkeit eines sie rechtfertigenden Sachgrundes i.S.v. § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG.
Eine Altersgrenzenregelung, die den Anforderungen dieser Vorschrift genügt und damit – für sich genommen – die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer in statthafter Weise beschränkt, kann gleichwohl gegen verfassungsrechtliche Vorgaben verstoßen, wenn sie mit dem Gebot des Vertrauensschutzes unvereinbar ist. Dieser ist grundrechtlich geschützt nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG. Wie das BVerfG bereits entschieden hat (BVerfG E 116/96) ist es dann, wenn Tarifvertragsparteien für die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer erstmals eine Altersgrenze einfügen, ein Gebot des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes, auf die Interessen der bei Inkrafttreten der BV bereits rentennahen Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen. Aufgrund ihrer Rentennähe profitiert diese Personengruppe von den mit der Einführung einer betrieblichen Altersgrenze üblicherweise verbundenen Vorteilen – Verbesserung der Aufstiegschancen durch das altersbedingte Ausscheiden anderer Arbeitnehmer – regelmäßig zu eingeschränkt. Andererseits haben diese Arbeitnehmer typischerweise ein schutzwürdiges Bedürfnis, über eine angemessene Zeit zu verfügen, um sich auf eine veränderte rechtliche Lage einzustellen und ihre Lebensführung oder -planung ggf. an sie anzupassen. Diese besondere Situation erfordert für rentennahe Jahrgänge grundsätzlich Übergangsregelungen, an denen es hier fehlt. Somit liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vor, der zur Unwirksamkeit der gesamten Altersgrenzenregelung führt.
Selbst wenn diese Rechtsfolge auf rentennahe Arbeitnehmer beschränkt wäre, käme eine Lückenfüllung im Wege einer ergänzenden Auslegung nicht in Betracht. Eine solche setzt – unterstellt, es läge eine unbewusste Regelungslücke hinsichtlich der erforderlichen Übergangsregelung vor – eine von den Betriebsparteien angelegte zwingende Regelungsmöglichkeit voraus. Daran fehlt es, weil den Betriebsparteien verschiedene rechtlich zulässige und interessengerechte Möglichkeiten für Übergangsregelungen zur Verfügung gestanden hätten.