An Hans-Georg Maaßen schieden sich die Geister, schon lange bevor er ins Zentrum einer schweren Regierungskrise geraten ist. In Sicherheitskreisen galt der damalige Präsident des Verfassungsschutzes als brillanter Mann, er sei der beste deutsche Verfassungsschützer aller Zeiten, erzählte man sich. Seine Kritiker betonten nicht minder vehement, der Mann sei für das Amt nicht gemacht. Probleme mit dem Mäßigungsgebot und der Loyalitätspflicht wurden ihm schon vor Jahren nachgesagt. Dass Politiker polarisieren, ist nicht ungewöhnlich, man könnte sogar sagen, es ist ihre Aufgabe. Aber Maaßen ist kein Politiker, sondern Beamter, Diener des Staates. Nun hat ihn Bundesinnenminister Horst Seehofer in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Seehofer hatte lange zu Maaßen gehalten. Nach den dubiosen Äußerungen des Verfassungsschutzchefs in der "Bild"-Zeitung über die Ausschreitungen in Chemnitz, hatte der Bundesinnenminister ihn verteidigt. Immer wieder hob er hervor, dass Maaßen die Angelegenheit sehr bedaure. Seehofer wollte ihn sogar zum Staatssekretär machen, schuf nach scharfem Protest der SPD, aber auch der CDU und der eigenen Basis den Posten des Sonderberaters im Innenministerium. Gerade einmal zwei Wochen hielt Maaßen die Füße still, nutzte Anfang Oktober ein Treffen der europäischen Inlandsgeheimdienstchefs, um Seehofer und weitere Unterstützer vorzuführen. In seiner Abschiedsrede, die er vor den europäischen Inlandsgeheimdienstchefs gehalten hat und später ins Intranet des Verfassungsschutzes stellte, sprach Maaßen von "linksradikalen Kräften in der SPD", von einer "idealistischen, naiven und linken Ausländer- und Sicherheitspolitik" und unterstellte der Kanzlerin, Falschinformationen zu erfinden oder zumindest ungeprüft zu verbreiten. Damit lässt Maaßen keinen Zweifel daran, dass er für diese Regierung nicht mehr arbeiten will. Seehofer hat keine Wahl. Er muss zugeben, dass er "ein Stück menschlich enttäuscht" sei.
Finanziell ist Maaßen abgesichert, der Staat alimentiert auch seine Beamten im einstweiligen Ruhestand. Er erhält für weitere drei Monate seine Dienstbezüge und anschließend – für höchstens drei Jahre – ein Übergangsgeld, das 71,75 % der „ruhegehaltfähigen Dienstbezüge“ beträgt. Diese setzen sich aus dem Grundgehalt (für Maaßen, Besoldungsstufe B 9, gut 11.000 EUR im Monat) plus Zulagen zusammen. Anschließend erhält er für seine geleistete Dienstzeit – unter Anrechnung der 39 Monate im einstweiligen Ruhestand – seine Pension.
Der Ruf des Juristen, der für seine Eitelkeit und Überheblichkeit bekannt war, ist indes ruiniert. Seine Kritiker sehen sich bestätigt in ihrer These, Maaßen sei illoyal, ungezügelt und ideologisch. Dabei haben sie nun selbst alle Hemmungen verloren. Keine These ist zu steil, als dass sie nicht verbreitet würde. Die Grünen sahen im obersten Schützer der Verfassung zwischenzeitlich selbst eine "Gefahr für die Demokratie". Auf dem rechten Auge, so heißt es, sei Maaßen blind. Ihm werden nicht nur Sympathien für die AfD nachgesagt, er soll die Partei auch aktiv beraten haben. Als Kronzeugin wird eine ehemalige Politikerin der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ akzeptiert, die zugibt, in der Vergangenheit selbst Falschnachrichten verbreitet zu haben. Maaßen soll sein Amt missbraucht haben, indem er die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz hintertrieben habe. Die Liste der Unterstellungen ließe sich weiter fortsetzen. Die Grenzen zwischen bewiesenen Tatsachen und bloßen Gerüchten sind dabei mittlerweile weitgehend verwischt. Die Pauschalität zu bemängeln, bedeutet in keiner Weise, Maaßens Verfehlungen zu relativieren. Mit Schwarz und Weiß lässt sich Maaßen aber nicht fassen. Um aufzuarbeiten, wie es so weit kommen konnte und die Lehren daraus zu ziehen, dafür ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich.
Richtig ist, dass Maaßen schon vor Jahren mit illoyalem Verhalten aufgefallen ist. In Hintergrundrunden in Berlin, so erzählt man sich, soll er wiederholt die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin kritisiert haben. Das steht einem Beamten nicht zu. Natürlich hat er ein Recht auf eine eigene Meinung, doch seine Bedenken hat er allein der politischen Führung mitzuteilen, ihre Entscheidungen, wie auch immer sie ausfallen, hat er zu respektieren. Trotzdem ist Maaßens Frustration zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. Für einen Mann, der einen großen Teil seines Berufslebens damit verbringt, die terroristische Bedrohung unter Kontrolle zu halten, ist es eine unerträgliche Vorstellung, dass Hunderttausende unkontrolliert ins Land kommen, dass sich darunter auch Terroristen mischen könnten. Mit seinen Bedenken dringt er bei der Kanzlerin nicht durch. Jeden Dienstag tagen die Präsidenten der Sicherheitsbehörden im Kanzleramt, nicht ein einziges Mal kommt Merkel dazu, nicht einmal in der Ausnahmesituation im Herbst 2015, auch nicht, als Unionsabgeordnete sie ausdrücklich darum bitten, sich die Bedenken des Verfassungsschutzchefs doch mal anzuhören. Das schwere Zerwürfnis zwis...