Die Bundesregierung möchte Umgehungen bei der Erhebung der Grunderwerbsteuer eindämmen und hat deshalb ein Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht, mit dem entsprechende Gestaltungen erschwert werden (vgl. dazu ZAP-Anwaltsmagazin 20/2019, S. 1046). Zu diesem Vorhaben fand Mitte Oktober eine Expertenanhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags statt.
Dort bezweifelten allerdings einige Experten, dass die Anzahl zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer vorgenommener Share Deals mit dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (BT-Drucks 19/13437) in Zukunft reduziert werden könne. Dem Gesetzentwurf, so die Kritiker, fehle eine zielgenaue Ausrichtung, so dass mit erheblichen "Kollateralschäden" für sämtliche Branchen zu rechnen sei.
Laut Gesetzentwurf wird Grunderwerbsteuer immer dann fällig, wenn das Eigentum an einem Grundstück übergeht. Um Grunderwerbsteuer zu vermeiden, werde häufig ein Unternehmen gegründet, dessen einziger Vermögensgegenstand ein Grundstück sei. Wenn statt des Grundstücks tatsächlich Anteile an dieser Gesellschaft erworben würden, bleibe die Gesellschaft rechtlich Eigentümerin des Grundstücks. Ein Eigentumswechsel finde nicht statt. Nach der bisherigen Steuerregelung wird bei einem Erwerb von weniger als 95 % der Anteile einer solchen Gesellschaft innerhalb von fünf Jahren keine Grunderwerbsteuer fällig. Es werde davon ausgegangen, dass das Gestaltungsmodell Share Deals in der gegenwärtigen Rechtslage bei hochpreisigen Transaktionen zu durchaus nennenswerten Steuermindereinnahmen führen dürfte, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs.
Die Neuregelung sieht nun vor, dass die Beteiligungsschwelle, ab der ein Grundstückserwerb angenommen wird, auf 90 % abgesenkt wird. Außerdem soll die Frist verlängert werden, innerhalb derer die Anteilskäufe der neuen Eigentümer berücksichtigt werden. Sie soll in Zukunft statt fünf zehn Jahre betragen. Der als Sachverständiger geladene niedersächsische Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU) erklärte dazu, wer eine Gestaltung auf 94,9 % hinbekomme, bekomme auch 89,9 % hin. Der Gesetzentwurf erreiche die Ziele nicht, warnte Hilbers, der sich für ein "schlüssiges, effektives und systematisches Gesamtkonzept" aussprach.
Die Spitzenverbände der Deutschen Wirtschaft kritisierten, dass in Zukunft Unternehmen erfasst würden, die Immobilien für die operativen Geschäfte des Unternehmens benötigen würden, z.B. Produktionshallen und Bürogebäude. Bei diesen würden zukünftig wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen unter Beteiligung von grundbesitzenden Gesellschaften behindert. Ebenfalls wären Immobilien als Kapitalanlage, beispielsweise für Altersvorsorgeprodukte, davon betroffen, obgleich derartige Investitionen ebenfalls nicht aus Steuerspargründen getätigt würden.
Kritik kam auch aus der Wissenschaft, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. So erläuterte Prof. Henning Tappe von der Universität Trier, dass die Absenkung der maßgeblichen Beteiligungsschwelle von 95 auf 90 % mit Blick auf die Verhinderung von solchen Gestaltungen ein Schritt in die richtige Richtung sei. Share Deals würden jetzt aber nicht unattraktiver, sicher verhindert würden sie auf diese Weise nicht. Die Absenkung der Grenze sei nicht ausreichend. Tappe brachte eine Absenkung der Grenze auf 75 % ins Spiel. Es werde zwar das Scheunentor geschlossen, "aber die Flügeltür bleibt offen". Auf Fragen von Abgeordneten erklärte er, es sei schwer zu rechtfertigen, dass private Erwerber bis zu 6,5 % Steuern entrichten müssten, große Unternehmen, die ganze Straßenzüge kaufen würden, aber nicht. Für eine Absenkung auf 75 % plädierte auch Prof. Rainer Wernsmann (Universität Passau). Die Absenkung der Beteiligungsschwelle auf 90 % in Kombination mit der Verlängerung der Haltefrist auf zehn Jahre erscheine "unzureichend zur Verhinderung von Steuerumgehungen".
Prof. Ulrich Hufeld (Helmut-Schmidt-Universität Hamburg) sagte, Umgehungsgestaltungen würden zwar unattraktiver, doch würden sie bis zur Grenze von 89,9 % attraktiv bleiben. Eine weitere Senkung der Grenze sah er kritisch. Die Zehnjahresfrist bezeichnete er als möglicherweise verfassungswidrig. Nach Ansicht des Instituts Finanzen und Steuern kann bei großen Immobilientransaktionen gestalterisch die Grunderwerbsteuer umgangen werden, während andererseits jedoch zahlreiche Share Deals besteuert würden, bei denen eine grunderwerbsteuerbezogene Umgehungsabsicht fern liege. "Der vorliegende Gesetzentwurf verschärft diese Situation", so der Vertreter des Instituts. Prof. Heribert Anzinger von der Universität Ulm erwartet sogar, dass mit dem Gesetzentwurf neue Steuergestaltungen z.B. über Stiftungen abgesichert werden könnten. Die von der Regierung geplanten Maßnahmen erscheinen ihm wenig geeignet, um das Ziel des Gesetzentwurfs zu erreichen.
Unter Berufung auf Praxis und Wissenschaft stellte der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), die Spitzenorganisation der Immobilienwirtschaft in Deutschland, fe...