Die Bundesregierung plant, die aus ihrer Sicht zu hohen Inkassokosten zu senken sowie die Ausnutzung mangelnder Rechtskenntnisse der Schuldner zu unterbinden. Dazu soll eine Reihe von gesetzgeberischen Maßnahmen ergriffen werden, die auch Rechtsanwälte zentral betreffen (s. bereits ZAP-Anwaltsmagazin 19/2019, S. 991 ff.). Vorgesehen ist u.a., die nach dem RVG zu berechnenden Gebühren für die außergerichtliche Inkassotätigkeit drastisch – nämlich um nahezu 50 % – zu senken, und zwar auch im Mandatsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Gläubiger. Gleichzeitig sollen neue und sehr weitgehende Aufklärungs- und Hinweispflichten eingeführt werden, die einen erheblichen zusätzlichen Aufwand für die Rechtsanwälte darstellen dürften.
Zu diesem Gesetzentwurf haben jetzt die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und der Deutsche Anwaltverein (DAV) ihre offiziellen Stellungnahmen abgegeben, in denen sie teils scharfe Kritik an den geplanten Neuregelungen üben. So erkennt etwa die BRAK an, dass es i.R.d. Berechnung von Inkassokosten in der Vergangenheit zu Missbrauchsfällen gekommen ist. Diese würden jedoch, soweit sie bekannt werden und Rechtsanwälte betreffen, auf der Grundlage der bestehenden Gesetze bereits umfassend zivil- und strafrechtlich sanktioniert. Auch das im Gesetzentwurf aufgeführte Argument, die Gerichte müssten vor Verfahren, in denen es um die Überprüfung von Inkassokosten geht, bewahrt werden, könne nicht als Rechtfertigung dafür dienen, die für Inkassotätigkeiten abrechenbare Vergütung drastisch und generell zu reduzieren – und das in Zeiten, in denen durch steigende Personal- und Raumkosten die Kostenbelastung der Rechtsanwälte permanent steige und die letzte Anpassung der anwaltlichen Gebühren mehr als sechs Jahre zurückliege.
Kritisiert wird von der BRAK insb., dass der Gesetzentwurf nicht zwischen Inkassoleistungen durch Rechtsanwälte einerseits und durch Inkassounternehmen andererseits differenziere. Der "redliche" Rechtsanwalt, der in einer überschaubaren Anzahl Forderungseinzug betreibe und jede Forderung separat einer Prüfung unterziehe, werde abgestraft, obwohl es vornehmlich die Inkassounternehmen seien, bei denen die vom Gesetzgeber ausgeführten Missstände auftreten. Es fehle darüber hinaus an belastbarem Zahlenmaterial, das die vermeintlich unangemessene Abrechnungspraxis bei anwaltlichem Inkasso belege.
Die geplanten erweiterten Aufklärungspflichten für Rechtsanwälte werden besonders vom DAV heftig kritisiert. Es sei verfehlt, dass nicht der Gläubiger zur Aufklärung des Verbrauchers verpflichtet werden soll, sondern dessen Anwalt. Der Anwalt des Gläubigers, der den Interessen seines Mandanten verpflichtet sei, werde auf diese Weise zum "Diener zweier Herren". Dies schwäche zum einen das Vertrauensverhältnis zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten (dem Gläubiger). Zum anderen stelle dies einen staatlichen Eingriff in das Mandatsverhältnis dar, ohne dass ersichtlich sei, weshalb ein solcher Eingriff gerechtfertigt sein soll. Bereits der jetzige § 43d BRAO sei der Anfang einer Fehlentwicklung gewesen. Erstmalig seien Anwälten Beratungspflichten gegenüber der Gegenpartei auferlegt worden, obwohl dies dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen evident widerspreche. Jetzt solle der Katalog der Informationspflichten des § 43d BRAO noch erheblich erweitert werden. Dies ergebe das Bild einer schleichenden Aushöhlung eines der "Eckpfeiler einer freien Advokatur", indem Anwälte nach und nach nicht mehr den Interessen ihrer eigenen Mandanten, sondern dem Schutz der Gegenpartei verpflichtet würden.
[Quellen: BRAK/DAV]